Der Bundesrat will die Zweitwohnungs-Initiative moderat umsetzen. Die Bau- und Tourismusbranche freut's, die Initianten drohen mit dem Referendum.
BERN. Eine Gemeinde darf höchstens 20 Prozent Zweitwohnungen aufweisen. Diesen Grundsatz hat das Stimmvolk im März 2012 mit 50,6 Prozent gutgeheissen. Weil die Formulierung des neuen Verfassungsartikels aber einen gewissen Spielraum offen lässt, wird nun um seine Umsetzung gerungen. Bis am Sonntag haben Verbände, Parteien und interessierte Kreise Zeit, zu den Vorschlägen des Bundesrates Stellung zu nehmen. Sie sind teilweise bereits einbezogen worden, als der Gesetzesentwurf erarbeitet wurde.
«Der Wille war da, die Initiative einigermassen verfassungsnah umzusetzen», sagt Raimund Rodewald, Geschäftsleiter der Stiftung Landschaftsschutz Schweiz (SL), der in der Steuerungsgruppe mitwirkte. Nach Abschluss der Arbeiten habe der Bund jedoch noch Änderungen vorgenommen, welche die Akzeptanz der Vorlage unnötig gefährdeten. «Der Bundesrat ist vor der Bau- und Immobilienlobby eingeknickt», sagt Initiantin Vera Weber. Er habe zu viele Schlupflöcher geschaffen und damit den Entscheid des Souveräns total missachtet. Dem Verfassungsartikel widerspreche etwa, dass der Bau von neuen Zweitwohnungen selbst bei einem Anteil von über 20 Prozent möglich bleiben soll, sofern sie über eine kommerzielle Vertriebsplattform angeboten werden. Die Objekte würden zwar ausgeschrieben, fänden aber nicht zwingend einen Mieter. Damit schaffe man letztlich neue kalte Betten.
«Die Initianten haben im Abstimmungskampf von Wohnungen mit geschlossenen Fensterläden gesprochen», entgegnet Thomas Egger, Direktor der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete (SAB). Ihre Kritik an bewirtschafteten Zweitwohnungen sei deshalb inkonsequent. Die SAB ist mit dem Gesetzesentwurf zufrieden. Entscheidend ist in ihren Augen, dass Erstwohnungen, die vor der Abstimmung bestanden oder rechtskräftig bewilligt waren, jederzeit in Zweitwohnungen umgenutzt werden können – ein Punkt, der auch für den Schweizerischen Baumeisterverband erste Priorität hat. Eine zweite, restriktivere Variante, die einen Todesfall oder eine Zivilstandsänderung voraussetzt, lehnt er hingegen ab. Sie stelle einen nicht akzeptablen Eingriff in die Eigentumsrechte dar. Die Initianten wiederum wehren sich gegen die grosszügigere Auslegung. Durch die Eigentumsgarantie lasse sich bloss die Nutzung rechtfertigen, die am 11. März bestanden habe. Ebenso dezidiert sind sie dagegen, dass Hotels komplett umgenutzt werden dürfen, wenn sie mindestens 25 Jahre alt sind und nicht mehr rentabel geführt werden können.
Vera Weber hofft nun auf Korrekturen des Parlaments. «Andernfalls wären wir gezwungen, das Referendum zu ergreifen.» Ein solches bedeute immer einen Kraftakt, sagt sie. Lieber wäre ihr ein guter Kompromiss.