Wirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann sagt, warum er eine Frauenquote von 30 Prozent für Verwaltungsräte ablehnt. Gewisse Branchen hätten bereits an der Basis Mühe, Frauen zu finden. Die massvolle Regulierung sei ein Trumpf der Schweiz.
Herr Schneider-Ammann, nach der Mindestlohn-Initiative entscheidet das Volk über Ecopop und die Erbschaftssteuer. Haben Sie als Wirtschaftsminister schlaflose Nächte?
Johann Schneider-Ammann: Ich schlafe gut. Aber ich sorge mich schon um die Rahmenbedingungen. In Europa sind strukturelle Fragen ungelöst, dazu kommen konjunkturelle Probleme. Die Schweiz ist mit der Umsetzung der Masseneinwanderungs-Initiative herausgefordert, zusätzlich stehen rund 30 weitere Initiativen an. Eine Annahme der Ecopop-Initiative würde dem Standort massiv schaden. Forderungen wie die Erbschaftssteuer oder für ein bedingungsloses Grundeinkommen sind ebenfalls keine Einladung für die Unternehmen.
Haben Sie Signale, dass Firmen vor dem Wegzug stehen oder nicht in die Schweiz kommen wollen?
Schneider-Ammann: Ich stehe laufend in Kontakt mit der Wirtschaft. Die Firmen drohen nicht. Aber die Unsicherheit ist spürbar. Ich mache meinen Einfluss geltend, um Vertrauen zu schaffen, und sage den Unternehmen: «Gebt uns etwas Zeit. Wir finden einen Weg, um die Masseneinwanderungs-Initiative umzusetzen.» Unsere Rahmenbedingungen sind immer noch wesentlich besser als die der Konkurrenten. Aber wir haben keinen Grund zur Nachlässigkeit. Tragen wir dem Standort Sorge. Wir dürfen unsere Trümpfe wie den freiheitlichen Arbeitsmarkt, die starke Sozialpartnerschaft oder die massvolle Regulierung nicht aus der Hand geben.
Der Bund arbeitet aber auch selber an Regulierungen. Das Departement von Simonetta Sommaruga plant laut «NZZ am Sonntag» eine Frauenquote für Firmen. Was halten Sie davon?
Schneider-Ammann: Ich greife der Diskussion des Bundesrats nicht vor. Als Unternehmer arbeitete ich in der Maschinenindustrie, die sich seit langem für die Erhöhung des Frauenanteils einsetzt. Leider ist es sehr schwierig, das Interesse der jungen Frauen für gewisse Berufe zu wecken. Es ist wie bei einer Pyramide: Damit man den Frauenanteil an der Spitze erhöhen kann, braucht es vor allem in den technischen Berufen eine Verbreiterung der weiblichen Basis. Das fängt bereits bei der Berufslehre an, die mir sehr wichtig ist.
Eine Frauenquote von 30 Prozent für Verwaltungsräte börsenkotierter Firmen ist also der falsche Weg?
Schneider-Ammann: Aus eigener Erfahrung weiss ich, dass Frauen in Verwaltungsräten und Geschäftsleitungen einen Mehrwert schaffen. Einer Firma vorzuschreiben, wie sie ihre Gremien zusammensetzen muss, wäre aus meiner persönlichen Sicht aber tatsächlich der falsche Weg. Das wäre sogar ein Bärendienst für die Frauen. Denn, mit Verlaub: Niemand will eine Quotenfrau sein.
Sie leiteten den Baumaschinenhersteller Ammann Group. Wie schwierig wäre es gewesen, im Verwaltungsrat die Quote zu erreichen?
Schneider-Ammann: Ich beginne nochmals an der Basis der Pyramide: Wir stellten jedes Jahr 30 Lehrlinge für technische und kaufmännische Bereiche ein. Im ersten Bereich gelang es uns im besten Fall, eine oder zwei junge Frauen zu gewinnen. Dann hat man auch an der Spitze weniger Auswahl. Wir hatten in Verwaltungsrat und Geschäftsleitung immer mindestens eine Frau – aber nicht wegen einer Quote.
In Ihrem Departement (WBF) haben Sie offenbar weniger Mühe, Frauen zu gewinnen.
Schneider-Ammann: Ja, im WBF- Topkader haben wir rund fünfzig Prozent Frauen. Darauf bin ich stolz. Beim Bund und besonders in meinem Departement sind wir beim Aufbau der Pyramide weit fortgeschritten. Das ist eine gewachsene Kultur, und natürlich sind die Voraussetzungen in der Verwaltung ganz anders. Gerade die Themen des WBF interessieren viele Frauen sehr stark.
Freiwillige Massnahmen haben in der Privatwirtschaft wenig gebracht. Mit einer Quote könnte der Staat auch hier etwas bewegen.
Schneider-Ammann: Es braucht einen gewissen Druck, aber sicher keine Vorschriften.
Was meinen Sie konkret?
Schneider-Ammann: Dass man über das Thema diskutiert. Dass man die Frauen ermutigt. Dass Unternehmen die Chance packen, wenn eine Frau für eine Funktion prädestiniert ist. Dessen ist man sich in der Wirtschaft auch bewusst.
Die Resultate bleiben bescheiden.
Schneider-Ammann: Die Verbesserungen brauchen Zeit. Es gibt aber heute gute Beispiele. Nehmen Sie Firmen wie die Alpiq, die BKW oder die Swisscom. Auch in den Verwaltungsräten der grösseren Dienstleistungsfirmen finden Sie viele qualifizierte Frauen, welche die Firmen weiterbringen.
Am Montag stellt Economiesuisse den neuen «Code of Best Practice» vor, der den Frauenanteil auf freiwilliger Basis erhöhen soll. Das bleibt für Sie also der richtige Weg?
Schneider-Ammann: Ja. Die Verbandsmitglieder sollen der Thematik ihre Aufmerksamkeit schenken. Man kann etwas erreichen. Als Präsident des Verbands der Maschinen- und Metallindustrie Swissmem suchte ich aktiv Frauen für den Vorstandsausschuss. Wir hatten fünf Frauen – für diese Branche ein Erfolg.
Frauen sollen in der Schweiz noch mehr arbeiten, um wie vom Volk gewünscht die Einwanderung zu bremsen. Kritiker werfen Ihnen vor, Sie täten dafür zu wenig.
Schneider-Ammann: Wir tun sehr viel. Die Fachkräfte-Initiative lancierte ich schon 2011 – lange vor dem 9. Februar. Der Bundesrat hat letzte Woche Entscheide zur Intensivierung der Arbeiten gefällt. Handlungsbedarf besteht beim Bund zum Beispiel bei den steuerlichen Anreizen. Und gemeinsam mit den Kantonen prüfen wir, wie die Tagesstrukturen im Schulbereich verbessert werden können. Es gibt Fortschritte. Aber es braucht Zeit, bis die Ergebnisse sichtbar werden.
Diese Woche präsentierte der Bundesrat die Unternehmenssteuerreform III, die für den Standort zentral ist. Wie schätzen Sie die Erfolgschancen der Vorlage ein?
Schneider-Ammann: Die Reform hat drei Ziele: Der Standort Schweiz soll steuerlich attraktiv bleiben. Die Steuersubstrate für die öffentliche Hand müssen weiter generiert werden, um die öffentlichen Aufgaben zu finanzieren. Drittens sollen unsere Steuerregeln international akzeptiert sein. Wir müssen handeln. Zentral ist, dass wir eine Vorlage ins Parlament schicken, die von diesem akzeptiert wird.
Das wird schwierig. Die Bürgerlichen lehnen die neue Kapitalgewinnsteuer ab, die Linke warnt vor Steuersenkungen für Firmen.
Schneider-Ammann: Ja, es wird nicht einfach. Für mich ist entscheidend, dass wir eine Lösung finden – und zwar gemäss den drei Zielsetzungen in der genannten Reihenfolge. Alle wollen, dass wir in der Schweiz unsere Quasi-Vollbeschäftigung aufrechterhalten können. Gleichzeitig wissen alle, dass der internationale Wettbewerb um Arbeitgeber und Firmen hart ist. Deshalb glaube ich daran, dass eine tragfähige Lösung gefunden wird.
Die SVP will die Reform mit offenen Dossiers mit der EU verknüpfen. Was halten Sie davon?
Schneider-Ammann: Die Reform muss zügig aufgegleist werden, damit die Firmen Klarheit und Rechtssicherheit haben. Damit töne ich an, dass andere Dossiers mit der EU etwas länger dauern könnten. Verknüpfungen sind daher problematisch.
Sie waren in letzter Zeit in der Öffentlichkeit präsenter. Denken Sie bereits an die Wahlen 2015?
Schneider-Ammann: Natürlich wird das kommende Jahr auch im Zeichen der Wahlen stehen. Das Ziel ist für mich aber die Vollbeschäftigung. Dafür mache ich meine Arbeit – mit viel Freude. Und dafür setze ich mich auch in der Öffentlichkeit ein. Damit möglichst alle in der Schweiz einen Job und eine Perspektive haben.