Nause will Chaoten überwachen

Linksextreme sind am Wochenende erneut randalierend durch Bern gezogen. Polizei und Behörden stehen dem Phänomen ziemlich hilflos gegenüber. Der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause fordert nun zusätzliche Befugnisse für die Polizei.

Reto Wissmann
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Reto Nause Sicherheitsdirektor der Stadt Bern (CVP) (Bild: ky)

Reto Nause Sicherheitsdirektor der Stadt Bern (CVP) (Bild: ky)

BERN. «Bisher hatten wir Glück, dass es noch keine Toten gegeben hat», sagt der Stadtberner Sicherheitsdirektor Reto Nause. In der Nacht von Samstag auf Sonntag waren mehrere hundert Personen durch die Quartiere gezogen, hatten Container angezündet, Fassaden versprayt, Scheiben eingeschlagen und Einsatzkräfte mit Steinen beworfen. Die Bilder erinnerten an die «Antifaschistischen Abendspaziergänge» oder die «Tanz dich frei»-Umzüge, die in der Vergangenheit oft ausarteten.

Friedlicher Beginn

Der Samstagabend begann relativ friedlich. Mobilisiert durch ein Ketten-SMS, versammelten sich gegen 1000 junge Leute auf dem Areal der ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlage. Hier soll dereinst eine Wohnüberbauung entstehen. Bis es soweit ist, nutzt ein Verein die Brache für «Urban Gardening» oder Kinderaktivitäten. Die Party war hingegen illegal und hatte nichts mit der Zwischennutzung zu tun. Die Polizei liess die Jugendlichen dennoch gewähren.

Nach Mitternacht formierte sich dann ein Demonstrationszug und marschierte in Richtung Innenstadt. Ohne erkennbaren Auslöser sprayten die Chaoten Parolen wie «Gegen die 2-Klassen-Medizin und den Kapitalismus als Ganzes» oder «Fight Nazis» an das Frauenspital, die Wirtschaftsschule und Privatgebäude. Im Länggassquartier wurde der Zug schliesslich von der Polizei mit Tränengas, Gummischrot und Wasserwerfer daran gehindert, weiter vorzudringen. Die Schäden belaufen sich nach ersten Schätzungen auf 300 000 Franken.

«Muss es zuerst Tote geben?»

Verhaftungen hat es bisher keine gegeben, gestern hat die Polizei einen Zeugenaufruf erlassen. Sicherheitsdirektor Nause verlangt derweil mehr Möglichkeiten, um die Chaoten überwachen zu können: «Wir brauchen eine rechtliche Grundlage, um auch bei Fällen von Gewaltextremismus Handys abhören und den E-Mail-Verkehr kontrollieren zu lassen», fordert er. Nur so könne die Polizei präventiv agieren und rechtzeitig reagieren. Auch bei der Strafverfolgung könnten Handy- und Maildaten wichtige Hinweise liefern. «Die Gewaltbereitschaft linksextremer Kreise hat nicht nur in Bern enorm zugenommen», sagt Reto Nause. Der Krawallzug durch Bern sei von langer Hand vorbereitet gewesen. Linksextreme hätten die Partygänger als «Schutzschild» missbraucht, um in der Menge unerkannt randalieren zu können. Der Polizei sei der «innere Kreis der Zelle» zwar bekannt, der Nachweis von Straftaten sei im Tumult jedoch ohne die entsprechenden Überwachungsmöglichkeiten schwierig. Nause muss sich in Bern den Vorwurf gefallen lassen, einen Überwachungsstaat aufbauen zu wollen. Darauf reagiert er mit einer Gegenfrage: «Muss es zuerst Tote geben, bevor wir reagieren?» Am Wochenende habe ein Stein das Fenster eines Einsatzfahrzeugs durchschlagen. Nur mit Glück sei dabei niemand verletzt worden.

Im März haben die eidgenössischen Räte das Bundesgesetz zur Überwachung des Post- und Fernmeldewesens (Büpf) verschärft. «Das ist nötig, geht jedoch zu wenig weit», sagt Nause. Ob die Verschärfungen überhaupt in Kraft treten, wird voraussichtlich erst eine Volksabstimmung entscheiden.

Bestehende Mittel reichen

Rainer Schweizer, emeritierter HSG-Professor für öffentliches Recht, hält es nicht für nötig, wegen Krawallen wie in Bern erneut die Bundesgesetzgebung anzupassen. Polizei und Strafverfolgungsbehörden hätten bereits genügend – auch präventive – Mittel in der Hand, um dem Problem Herr zu werden. Der Experte denkt dabei an die Auswertung von Videoaufnahmen oder Internetfahndung. Vor allem warnt er davor, den Bundesnachrichtendienst einzuschalten, wie dies Nause ebenfalls fordert. Dieser habe andere Aufgaben, zudem gehe dann für die Betroffenen der rechtliche Schutz vor übermässigen Polizeimassnahmen verloren.