Der Medienkonzern Tamedia verzichtet ab Juli auf die französischsprachige Sportinformation der SDA. Politiker kritisieren die Salamitaktik und fordern, der Bundesrat müsse rasch handeln.
Tamedia hat viel zu sagen bei der angeschlagenen Schweizerischen Depeschenagentur (SDA), so viel wie kein anderer Medienkonzern. Das zeigt sich nicht zuletzt daran, dass Tamedia seit vielen Jahren den Präsidenten des SDA-Verwaltungsrats stellt. Doch ausgerechnet das Zürcher Medienhaus will im Sportbereich künftig ohne die Nachrichten der SDA auskommen, zumindest in der Romandie: «Es stimmt, dass Tamedia den Vertrag zum Bezug der französischsprachigen Sportinformation von Keystone-SDA mit Wirkung auf Mitte Jahr gekündigt hat», bestätigt SDA-Sprecher Iso Rechsteiner auf Anfrage.
Tamedia habe entschieden, die Sportnachrichten im Welschland mit einer eigenen Agentur selbst zu produzieren. «Dieser Entscheid ist zu akzeptieren», so Rechsteiner. Wie viele Mittel dadurch der SDA entgehen, die Anfang Jahr aus Spargründen die Entlassung von einem Viertel der Belegschaft bekanntgegeben hat, will er nicht verraten. Immerhin räumt Rechsteiner ein, für die SDA sei «jede Kündigung eines Abos eines redaktionellen Angebots schmerzhaft – umso mehr, als es in der Westschweiz im Bereich Medien immer weniger Kunden in diesem Segment gibt».
Zahlen nennt auch Tamedia-Sprecher Christoph Zimmer keine. Er bestätigt aber, dass die Sportberichterstattung der Tamedia-Titel in der Westschweiz künftig einerseits durch das konzerneigene Sport-Center in Lausanne sichergestellt werde. Andererseits geschehe dies durch das Datensuchsystem «Tadam», das auf den Websites von Sportlern, Klubs und Verbänden nach Informationen suche und diese der Redaktion zur Verfügung stelle. Durch die Kombination soll die Sportberichterstattung in der Romandie laut Zimmer nicht nur günstiger werden, sondern auch «schneller und exklusiver».
Gerüchte, wonach Tamedia auch im übrigen Nachrichtenbereich und nicht nur in der Westschweiz ähnliche Schritte plane, stellt Zimmer in Abrede. Aktuell sei nichts solches geplant. Aber für die ganze Branche stelle sich die Frage, welche neuen Möglichkeiten es gebe und wie man sie am besten nutzen könne, «um das journalistische Angebot für die Leser weiterzuentwickeln und auszubauen». Tamedia habe keinesfalls die Absicht, der letzten verbliebenen Nachrichtenagentur mit Schweizer Berichterstattung zu schaden: «Wir sind einer der grössten und loyalsten Kunden der SDA, und daran wird sich auch in Zukunft nichts ändern.» Ein Beitrag, der vor ein paar Tagen im Tamedia-Intranet aufgeschaltet wurde, deutet allerdings in eine andere Richtung. Darin steht unter anderem: «Ende dieses Jahres soll eine Erfolgsbilanz gezogen werden, um die Nutzung von Tadam erweitern zu können – entweder im Rahmen von Einsparmöglichkeiten oder zur Informationsbeschaffung.»
Politiker sind denn auch alarmiert. Der Bundesrat müsse nun endlich handeln, fordert Regula Rytz, Präsidentin der Grünen. Entweder müsse er umgehend die Radio- und Fernsehordnung ändern und der SDA die 2 Millionen Franken zukommen lassen, die er ihr in Aussicht gestellt hatte, oder aber eine Förderung der Westschweizer Medien über das Sprachengesetz ins Auge fassen. «Das muss aber sofort geschehen, bevor die guten Leute gehen, sonst ist es zu spät.»
Vor allem aber müsse Tamedia Farbe bekennen, gibt sich der Berner SP-Nationalrat Matthias Aebischer überzeugt. Schliesslich sei der Zürcher Medienkonzern sowohl Besitzer als auch Kunde der SDA, deren Zustand immer desolater werde: «Wenn Tamedia die SDA mittelfristig aufgeben will, soll sie dazu stehen.» Es sei aber nicht redlich, auf der einen Seite Stellen abzubauen und das Produkt zu verschlechtern und auf der anderen Seite als Kunde auszusteigen. «Das ist Salamitaktik», kritisiert Aebischer, selber ehemaliger (Sport-)Journalist. Damit verhindere Tamedia nur, dass sich der Bund überlege, ob er die SDA retten wolle.