Nach einer heftigen Debatte hat das Stadtgenfer Parlament beschlossen, allen Frauen eine Vergünstigung von 20 Prozent bei städtischen Freizeitangeboten zu gewähren. Das Ziel der Aktion ist, die Lohnungleichheit zwischen den Geschlechtern sichtbar zu machen.
Der grosse Frauenstreik von 2019 hallt nach. Eine der Forderungen war, die Lohnungleichheit zwischen Frauen und Männern zu beseitigen. Nun hat am Mittwoch das Genfer Parlament mit Stimmen der Linken und der Mitte eine Motion angenommen, die für Diskussionen sorgt. Frauen sollen künftig 20 Prozent Vergünstigung erhalten für städtische Freizeitangebote, wie zum Beispiel das Schwimmbad, kulturelle Veranstaltungen oder Sportanlässe. Ist das lediglich positiver Sexismus oder ein Schritt in Richtung Gleichstellung?
Die Waadtländer FDP-Nationalrätin Jacqueline de Quattro zeigt sich skeptisch. «Die Initiative ist mehr Kosmetik als dass sie echte Verbesserungen bringt», sagt sie. Die Anwältin ist an diesem Vormittag gerade dabei, ihren Enkelsohn zu hüten. Sie setzt sich seit vielen Jahren für mehr Gleichstellung ein. «Aber mir liegen praktische Lösungen am Herzen und nicht Symbolpolitik.» Das Giesskannenprinzip in Genf schaffe neue Ungleichheiten:
«Eine Millionärin kann vergünstigt in die Badi, während ein Lehrling den vollen Betrag bezahlen muss.»
Es gebe andere Hebel, um die Lohnungleichheit zu beseitigen. Zum Beispiel könnten Kantone dafür sorgen, dass öffentliche Gelder nur an Unternehmen vergeben werden, die mindestens zur Hälfte Frauen beschäftigen und in denen nachweislich Lohngleichheit herrsche. Oder Firmen könnten mit dem vom Bund entwickelten Analyse-Tool Logib die Lohngleichheit überprüfen und Anpassungen vornehmen. Unternehmen könnten Familienarbeit in die Bewertungen miteinbeziehen, denn es brauche viel Management- und Organisationstalent, eine Familie zu führen. «Alle Ideen sind willkommen, die einen sind treffender als die anderen», so de Quattro.
Die Genfer SP-Nationalrätin Laurence Fehlmann Rielle sagt: «Die Idee ist zwar grosszügig, aber sie geht nicht die grossen Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten an», sagt sie. Damit würden wohl eher Frauen profitieren, die es nicht unbedingt nötig haben. Die Stadt habe ein begrenztes Budget und sollte es für Menschen einsetzen, die wirklich darauf angewiesen seien. Sport und Kultur seien zwar wichtige Bereiche, aber: «Was ist mit den Frauen, die im Prekariat leben und am Ende des Monats nicht genug Geld für Lebensmittel haben?» Fehlmann Rielle zeigt sich zudem skeptisch, was die Umsetzung betrifft. «Wie müssen sich Frauen als solche identifizieren, um von diesem Rabatt zu profitieren?» Die Motion sei eine freundliche Geste, aber sie sei nicht sehr durchdacht, so die Nationalrätin.
Die Genfer Stadtregierung muss nun prüfen, wie sie diese Motion umsetzen kann. Das Eidgenössische Büro für die Gleichstellung von Frau und Mann wollte sich auf Anfrage nicht äussern, weil es sich derzeit noch um ein regionales Projekt handelt. Ob andere Schweizer Städte nachziehen, bleibt abzuwarten.