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Schweiz
Der Mann, der in Rorschach «Mohrenköpfe» verkauft hat, wird polizeilich befragt. Eine Beratungsstelle gegen Rassismus beurteilt die Aktion als «unnötig provokativ», und sogar Robert Dubler, der mit seinem Produkt am Ursprung der Debatte steht, hält nicht viel von ihr. Der «Mohrenkopf»-Verkäufer seinerseits geht nun in die Offensive.
Die Aktion gibt seit Tagen zu reden: Am vergangenen Donnerstag stellte ein Mann vor einer Firma in Rorschach einen Stand auf. Als Schwarzer verkleidet, bot er Dubler-«Mohrenköpfe» feil – jene Süssspeise, um deren Name in der Schweiz ein heftiger Streit tobt. Vier Tage und Hunderte Facebook-Kommentare später steht nun fest: Die Aktion wird Folgen haben. Beatrice Giger, Mediensprecherin der St.Galler Staatsanwaltschaft, erklärte am Montag auf Anfrage: «Rassismus ist ein Offizialdelikt. Wir prüfen die rechtliche Situation.»
Zu diesem Zweck kommt es vorerst zu einem polizeilichen Ermittlungsverfahren gegen den «Mohrenkopf»-Verkäufer von Rorschach: Der Mann wird von der Polizei befragt. Sollte die Staatsanwaltschaft zur Überzeugung gelangen, dass ein hinreichender Verdacht betreffend Rassismus-Tatbestand erfüllt ist, würde sie eine Strafuntersuchung eröffnen.
Was sagt Esther Potztal von der Heks-Beratungsstelle gegen Rassismus und Diskriminierung zur «Mohrenkopf»-Debatte und zum Vorfall in Rorschach? «Die Verwendung des Begriffs Mohrenkopf ist für People of color ein sensibles und unangenehmes Thema. Ich erachte es deshalb als unangebracht, den Namen ‹Mohrenkopf› zu benutzen», hält sie fest. Auch beim Blackfacing, dem Bemalen des Gesichts mit schwarzer Farbe, gehe es darum, dass Minderheiten Handlungen oder Wörter als beleidigend, herabsetzend und rassistisch diskriminierend wahrnehmen, die möglicherweise für einen grossen Teil der Bevölkerung als gesellschaftlich akzeptiert angesehen werden. Zur Verkaufsaktion in Rorschach sagt Potztal:
Ich beurteile sie als unnötig provokativ und als verletzend für einen Teil unserer Gesellschaft. Es verletzt andere. Ob man es böse meint oder nicht, ist dabei nicht massgebend.
Den wenigsten ist laut Esther Potztal bewusst, dass der Name Mohrenkopf von einem deutschen Konditor erfunden wurde. Dies zu einer Zeit, als das Zweite Deutsche Kaiserreich mit einer aggressiven Kolonialpolitik die einheimische Bevölkerung in Ost-, Südwest- und Westafrika unterworfen habe und Menschen aus den Kolonien in europäischen Städten in sogenannten Völkerschauen vorgeführt worden seien.
Zum Argument, dass die «Mohrenkopf»-Debatte von grossen Problemen mit Rassismus ablenke, ja sogar kontraproduktiv sei, meint Esther Potztal: «Ich denke die Debatte um den Namen eines Gegenstandes kann und muss Anlass sein für weiterführende Diskussionen.» Es genügt nicht, sich um die Bezeichnung «Mohrenköpfe» zu streiten.» Wichtiger sei es, dass sich die Debatte in Richtung Aufklärung und Sensibilisierung entwickle. «Es geht darum, aufzuzeigen, dass Bezeichnungen wie «Mohrenköpfe» für einen Teil unserer Bevölkerung als verletzend und diskriminierend empfunden werden.»
Robert Dubler ist Patron der Firma Dubler. Das Aargauer Unternehmen hält trotz massiver Kritik an der Bezeichnung «Mohrenkopf» für sein Produkt fest. Und erlebt einen Ansturm sondergleichen auf den Fabrikladen in Waltenschwil seit dem Entscheid der Migros, die Süssspeise aus dem Sortiment zu nehmen. Auf Anfrage erklärt Robert Dubler, die Aktion in Rorschach sei seiner Ansicht nach «daneben» gewesen. Näher präzisieren wollte er seine Aussage trotz mehrmaliger Nachfrage nicht.
Was sagt Markus Heim, der Kopf hinter der Aktion in Rorschach, zur Aufregung? Es werde jetzt ein «Riesenaufstand» gemacht, man übertreibe völlig, so der 58-jährige Imbiss-Unternehmer aus St.Gallen. Der Mann, der an verschiedenen Standorten auch Würste feilbietet, bezeichnet seinen Verkauf von Dubler-«Mohrenköpfen» als «Promotion statt Provokation». Wenn die Migros eine Senfmarke aus dem Regal genommen hätte, hätte er eben Senf verkauft, sagt er. Einen rassistischen Hintergedanken habe es bei der «Mohrenkopf»-Aktion nicht gegeben. Das gelte auch dafür, dass er sein Gesicht schwarz bemalt habe. Diese Idee sei ihm kurzfristig gekommen – «und wegen ein bisschen Farbe im Gesicht muss man doch nicht so ein Drama machen».
Auf die Frage, ob man mit solchen Aktionen nicht Öl ins Feuer giesse, sagt Heim, er sehe da nichts Verwerfliches oder Illegales darin:
Es ist schade, dass man in diesem Land nichts mehr machen kann, ohne dass es einen Aufstand gibt und man in die rassistische Ecke gestellt wird.
Jene, die vor kurzem noch für Toleranz und gegen Vorurteile auf die Strasse gegangen seien, zeigten jetzt mit dem Finger auf ihn, so der 58-Jährige.
Die gegen 400 Mohrenköpfe in Rorschach seien innert zweier Stunden ausverkauft gewesen, sagt Markus Heim weiter. «Was sind denn meine Kunden, wenn ich ein Rassist bin?» Dass die Polizei ihn jetzt zur Aktion befragen will, beeindruckt Markus Heim nicht: Er will weiterhin solche Aktionen durchführen und hat auch keine Angst, dass er keine Grundbesitzer mehr finden wird, die ihm einen entsprechenden Platz vermieten.
Heim spricht davon, dass er sich vor Zuspruch kaum retten könne: «Am Samstag beispielsweise war ich an einem grösseren Anlass in Au. Wenn ich alles, was mir zu trinken offeriert wurde, angenommen hätte, wäre ich jetzt noch betrunken.»