Mehr Wähleranteil für FDP und CVP

Zehn Wochen vor den eidgenössischen Wahlen hat die Sorge um den Gang der Wirtschaft das politische Klima verändert. Davon profitieren vor allem die Mitteparteien, wie das Wahlbarometer von gfs.bern im Auftrag der SRG SSR zeigt. Die Polparteien SVP und SP verlieren an Schwung.

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Die Befragten des Wahlbarometers der SRG SSR haben Ende Juli erstmals wieder die Migration als dringendstes Problem bezeichnet. Die noch im April und Juni vorherrschende Sorge um die Umwelt wurde vom Spitzenplatz verdrängt, nimmt aber immer noch den zweiten Platz ein. Der «Fukushima-Effekt» hat die seit langem auf dem ersten Platz stehende Sorge wegen der Zuwanderung also nur kurzfristig überlagert.

Dies nun merkt man den Umfrageergebnissen an: Die Grünliberale Partei (GLP) verliert im Vergleich zu den beiden letzten Wahlbarometern und kommt jetzt noch auf 4,6 Prozent. Gegenüber den Nationalratswahlen 2007 steht sie allerdings immer noch als deutliche Gewinnerin da. Grüne, SP und BDP halten sich dagegen recht stabil bei 10,1 respektive 18,5 und 2,9 Prozent. Zum Abflauen des «Fukushima-Effekts» beigetragen haben sicher auch Bundesrat und Nationalrat mit ihrem Grundsatzentscheid, die Schweiz aus dem Atomzeitalter zu führen: Ist ein Problem erst in den politischen Prozess eingespeist, lässt seine Brisanz in der öffentlichen Wahrnehmung meist nach.

Franken wird zum Thema

Die CVP konnte trotz dieser Entwicklung zulegen und steht derzeit bei 15 Prozent, was besser ist als bei den Wahlen 2007. Das ist erstaunlich, weil die CVP einerseits Umweltministerin Doris Leuthard stellt und weil die Wähler ihr weniger Kompetenz in der Umweltpolitik zugestehen als noch vor sechs Wochen. Es ist aber nicht auszuschliessen, dass der Atomausstieg durch die ständerätlichen Beratungen in der Herbstsession wieder neue Brisanz erhält. Je nach Ergebnis könnten sich dann auch die Parteistärken nochmals leicht verschieben.

Fukushima ist in Vergessenheit geraten, dafür hat ein neues Thema das Sorgenbarometer erobert: Auf dem dritten Platz folgen nämlich, ausgelöst durch den starken Franken, Befürchtungen wegen der Wirtschaftsentwicklung. Dies könnte sich laut dem Forschungsinstitut gfs.bern, welches das Wahlbarometer erstellt, als dominierendes Wahlkampfthema etablieren, sollte der Franken nicht nachhaltig an Stärke verlieren. Wer hier glaubwürdig konkrete Lösungsvorschläge präsentiert, könnte profitieren.

Noch gewinnt nur die FDP, der bei diesem Thema traditionell eine hohe Kompetenz zugesprochen wird. Im Vergleich zu den Wahlen 2007 liegt die Partei mit jetzt 16,1 Prozent zwar immer noch um 1,6 Prozent zurück, gegenüber den Wahlbarometern von April und Juni kann sie aber deutlich zulegen.

SVP stagniert

Anders präsentiert sich die Situation bei der wählerstärksten Partei: Obwohl Migration wieder das Sorgenthema Nummer 1 ist, kann die SVP, der hier die grösste Kompetenz zugeschrieben wird, nicht zulegen. Sie stagniert bei für ihre Verhältnisse tiefen 27,4 Prozent. Dies, obwohl sie ihre Initiative «Gegen Masseneinwanderung» bereits lanciert hat. Die Schweizer trauen es laut Wahlbarometer immer weniger einer einzigen Partei zu, das Zuwanderungsproblem und andere dringende Fragen zu lösen. Kein Rezept, von welcher Partei auch immer, vermag sie bisher zu überzeugen. Verständlich, denn anders als bei innenpolitisch geprägten Problemen haben die Schweizer Parteien Mühe, schnell auf internationale Krisen zu reagieren. Die parteiinterne Meinungsbildung dauert zu lange. Vielleicht aber sind die Wähler auch der Meinung, dass nationale Rezepte kaum der Schlüssel zur Lösung globaler Probleme sein können.

BDP holt SVP-Wähler

Dennoch soll man die SVP nicht vorschnell als Verliererin abschreiben. Noch immer haben nur 46 Prozent der Befragten die Absicht, überhaupt an den eidgenössischen Wahlen teilzunehmen. Die SVP aber versteht es wie keine andere Partei, ihre Wähler für den Urnengang zu mobilisieren. Hier liegen also noch einige Prozentpunkte drin. Das Feld der politischen Wettbewerber hat sich seit 2007 vergrössert, und zwar durch zwei neue Parteien, die eigentlich angetreten waren, um den Polparteien SVP und Grüne Konkurrenz zu machen. Nun haben sich GLP und BDP zur Bedrohung für die Mitteparteien FDP und CVP entwickelt. Der BDP gelingt es zudem erstmals, auch Stimmen enttäuschter SVP-Wähler abzuholen. In geringerem Ausmass kann die Partei von Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf von fast allen anderen Parteien Wähler abziehen – vielleicht ein Hinweis darauf, dass die Bündnerin bei vielen Schweizern als äusserst fähige Magistratin wahrgenommen wird. An den inhaltlichen Positionen der Partei kann es nicht liegen; sie sind schwer festzumachen.

Sermîn Faki, Bern