Maurer bremst Calmy-Rey

Micheline Calmy-Rey ist im Bundesrat aufgelaufen. Auf Antrag von Verteidigungsminister Ueli Maurer wurde der Entscheid über den Armee-Einsatz gegen Piraten vertagt. Calmy-Rey muss nun umfassende Abklärungen treffen.

Markus Brotschi
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Kampf gegen Piraten: Patrouille der französischen Armee im Golf von Aden. (Bild: rtr)

Kampf gegen Piraten: Patrouille der französischen Armee im Golf von Aden. (Bild: rtr)

bern. Die SP-Bundesrätin wollte sich gestern vom Bundesrat die Einwilligung holen, damit sich die Schweiz mit Soldaten an der EU-Militäraktion «Atalanta» gegen die Piraterie vor der Küste Somalias beteiligt. Konkret sollten Calmy-Reys Aussendepartement und das Verteidigungsdepartement (VBS) ermächtigt werden, mit der EU über eine Schweizer Beteiligung an «Atalanta» zu verhandeln. Doch auf Antrag des neuen Verteidigungsministers Ueli Maurer vertagte die Landesregierung den Entscheid.

«Weitere Abklärungen nötig»

Laut Bundesratssprecher Oswald Sigg sind weitere Abklärungen nötig, bevor der Bundesrat definitiv befindet. Dabei gehe es etwa um das militärische Mandat, um Finanzielles und einige formelle Fragen, sagte Sigg. Das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) werde das Geschäft in einer der nächsten Sitzungen wohl nochmals dem Bundesrat unterbreiten.

Parlamentarier kritisch

Nach der Bundesratssitzung vom 16. Dezember hatte es noch geheissen, der Bundesrat habe dem Einsatz «im Prinzip» zugestimmt. Der damalige Bundespräsident Pascal Couchepin hatte den Einsatz als beschlossene Sache dargestellt. Zu klären seien noch militärische, rechtliche und finanzielle Fragen. Couchepin und Calmy-Rey sagten damals, die Schweiz habe gar keine andere Wahl, als sich mit Soldaten an der Aktion zu beteiligen. Im Gegenzug wäre die EU wohl auch bereit, Schweizer Schiffe durch die Gefahrenzone vor Somalia zu eskortieren. Calmy-Rey wollte Schweizer Soldaten für den Begleitschutz der UNO-Nahrungshilfe zugunsten von Somalia aufbieten und bewaffnete Soldaten auf Schiffen von Schweizer Reedern stellen.

Ein Grund für den Gesinnungswandel im Bundesrat ist die Haltung der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats (APK). Diese hatte sich am Dienstag mit 12 zu 6 Stimmen gegen einen Schweizer Militäreinsatz vor Somalia ausgesprochen. Zu den ablehnenden Stimmen trugen alle Fraktionen ausser der FDP bei. Grüne und SVP stimmten geschlossen mit Nein. Für den Bundesrat war das APK-Votum ein Fingerzeig. Da der Truppeneinsatz länger als drei Wochen dauert, müsste er die Zustimmung des Parlaments einholen. Diese Zustimmung dürfte er aber kaum erhalten. Vor allem im Nationalrat wäre eine Mehrheit schwer zu holen, da SVP und Grüne geschlossen und ein Teil der SP ebenfalls gegen einen Armee-Einsatz im Golf von Aden stimmen würden.

Finanzielle Beteiligung möglich

Ein weiterer Grund für den gestrigen Marschhalt des Bundesrats dürfte die Äusserung des EU-Botschafters in Bern, Michael Reiterer, gewesen sein. Reiterer hatte diese Woche eine militärische Beteiligung der Schweiz als nicht zwingend bezeichnet – dies entgegen der Äusserungen von Calmy-Rey. Möglich sei auch eine Beteiligung der Schweiz an den Kosten der EU-Aktion gegen die somalischen Piraten, sagte Reiterer. Im Bundesrat entstand deshalb der Eindruck, Calmy-Rey habe die Landesregierung nicht vollständig informiert.

Hat Schweiz geeignete Truppen?

Für eine militärische Teilnahme an «Atalanta» stünden rund 30 Elitesoldaten der Schweizer Armee zur Verfügung, wie der Armeechef ad interim, Divisionär André Blattmann, in verschiedenen Interviews erklärte. Diese Soldaten würden aus der Elitetruppe für Auslandoperationen, dem Aufklärungsdetachement 10 (AAD 10), rekrutiert. Das AAD 10 ist ausgebildet, um Schweizer zu retten, die bei Konflikten im Ausland in Not geraten. Die Mehrheit der aussenpolitischen Kommission des Nationalrats befand jedoch, die Schweiz verfüge über keine für den Somalia-Einsatz ausgebildeten Truppen.

Auch die Mehrheit der betroffenen Schweizer Reeder zeigte sich bis anhin skeptisch, wenn es um einen möglichen Einsatz von bewaffneten Schweizer Soldaten an Bord ihrer eigenen Schiffe ging. Die Schweizer Hochseeflotte zählt 35 Frachter und Tanker mit rund 600 Seeleuten. Diese Schiffe fahren auch immer wieder durch den Golf von Aden, der von bewaffneten Piraten mit Schnellbooten unsicher gemacht wird.