Fall Maudet: Regierungsräte landen dank goldenem Fallschirm zu weich

Kann sich Pierre Maudet noch ein wenig länger in der Genfer Regierung halten, erhält er eine Rente für den Rest seines Lebens. Ein Einzelfall ist er damit nicht. Gerade in der Westschweiz sind lebenslange Ruhegehälter weit verbreitet.

Roger Braun
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Spekuliert Pierre Maudet auf eine lebenslange Rente? (Bild: Salvatore di Nolfi/Keystone (Genf, 3. Dezember 2018)

Spekuliert Pierre Maudet auf eine lebenslange Rente? (Bild: Salvatore di Nolfi/Keystone (Genf, 3. Dezember 2018)

Trotz Rücktrittsaufforderung seiner Partei und der öffentlichen Empörung über seine Lügen im Zusammenhang mit seiner Reise nach Abu Dhabi: Der Genfer Staatsrat Pierre Maudet klammert sich weiterhin an sein Amt. Niemand kann mit Sicherheit sagen, was in seinem Kopf vorgeht, doch einige glauben es zu wissen: Es geht um Geld.

Tritt Maudet in diesen Wochen zurück, erhält er eine einmalige Abfindung von 437 802 Franken. Das ist ein stolzer Betrag, doch bleibt er bis zum 29. Juni nächsten Jahres, fährt der 40-Jährige noch besser. Dannzumal wird er acht Jahre Staatsrat gewesen sein – und damit ein Anrecht erhalten auf eine lebenslange Rente von jährlich 89 161 Franken.

Einige Jahre regieren, lebenslang kassieren

Der Fall Maudet wirft damit auch ein Schlaglicht auf die Ruhegehälter abtretender Regierungsräte. Der Kanton Genf ist vergleichsweise grosszügig, doch ein Einzelfall ist er nicht. Gerade in der Westschweiz sind lebenslange Renten gang und gäbe. In den Kantonen Neuenburg und Freiburg haben Staatsräte ab 50 Jahre ein Anrecht auf ein lebenslanges Ruhegehalt; im Kanton Waadt nach einer Amtsdauer von zehn Jahren. Bis vor kurzem zählte auch der Kanton Wallis zu dieser Gruppe. So kassiert SVP-Politiker Oskar Freysinger nach seinen vier Jahren im Staatsrat sein Leben lang eine jährliche Rente von rund 80000 Franken. Anders sieht es für die Staatsräte aus, die erst nach 2015 gewählt wurden. Christophe Darbellay (CVP), Roberto Schmidt (CVP) und Frédéric Favre (FDP) beziehen zwar ein um einen Viertel höheres Gehalt von rund 300000 Franken. Werden sie abgewählt, gehen sie aber leer aus.

Es geht auch anders: Uri, Appenzell, Zug und Glarus

Das Wallis ist damit auf einen Schlag von einem grosszügigen zum sparsamsten Kanton geworden. Wenig feudal ist die Lage für Regierungsräte auch in Uri und Glarus. Treten sie zurück, haben sie keinerlei Anrecht auf eine Lohnfortzahlung. Einzig im Fall einer Abwahl erhalten sie eine Lohnfortzahlung von sechs Monaten. Streng sind auch die Kantone Appenzell Innerrhoden und Zug. In Innerrhoden haben die Magistraten erst nach acht Amtsjahren Anrecht auf eine Entschädigung. Ist dies der Fall, erhalten sie die Hälfte des Lohnes für den gleichen Zeitraum, wie sie in der Regierung sassen. Der Kanton Zug bezahlt den Lohn während sechs Monaten weiter; sass jemand mindestens vier Jahre in der Regierung, wird die Zahlung ein Jahr lang ausgerichtet.

Vergütungsexperte Urs Klingler unterstützt diese sparsamen Modelle. «Die Politik soll sich an den Leitlinien orientieren, die sie für die Wirtschaft fordert: Sie soll aufhören, goldene Fallschirme zu verteilen», sagt er. Klingler empfiehlt den Kantonen, den Regierungsräten einen guten Grundlohn zu bezahlen und während der Amtszeit stattliche Beiträge in die Pensionskassen zu leisten. «Damit sind die Regierungsräte genügend abgesichert, langjährige Abgangsentschädigungen braucht es damit nicht mehr.» Die Regel im Kanton Genf hält Klingler für die schlechteste aller möglichen. Ziel müsse es sein, dass ein Regierungsrat seine Arbeit bestmöglich erledige, ohne auf seine Renten zu schielen, sagt er. In Genf sei das Gegenteil der Fall, da ein Regierungsrat einen starken finanziellen Anreiz habe, mindestens acht Jahre zu bleiben. «Das kann dazu führen, dass Regierungsräte politischen Risiken aus dem Weg gehen oder sich an Ämter klammern», sagt Klingler. Er rät deshalb davon ab, die Höhe der Abgangsentschädigungen an Alter oder Amtsjahre zu koppeln.

Auffällig ist: Viele Kantone haben kürzlich ihre Regeln angepasst. Goldene Fallschirme sind rarer geworden. Regierungsräte zahlen vielerorts wie gewöhnliche Staatsangestellte Lohnbeiträge in die Pensionskasse ein. Für eine lebenslange Rente entfällt damit die Legitimation. Auch bei Überbrückungsrenten bis zum Pensionsalter oder bei Abgangsentschädigungen sind die Kantone sparsamer geworden. Auch werden die Pensionen zunehmend gekürzt, wenn das Salär der ehemaligen Regierungsräte ihr Ruhegehalt übersteigt.

In manchen Kantonen passierte dies aus Eigenantrieb, in anderen brauchte es den Druck der Bevölkerung. Der Kanton Basel-Stadt stimmte diesen März über eine Initiative der Grünliberalen Partei ab, welche die Lohnfortzahlung für abtretende Regierungsräte von maximal zehn auf drei Jahre verkürzen wollte. Die Partei stand alleine gegen die etablierten Parteien, und doch stimmten 62 Prozent der Stimmberechtigten der Initiative zu.

Es ist vor allem die Grünliberale Partei (GLP), die Druck auf die Ruhegehälter macht. So brachte sie im vergangenen Monat einen Vorstoss im Berner Kantonsrat durch, der mit Überbrückungsrenten Schluss machen will und die Lohnfortzahlung auf maximal drei Jahre beschränkt. Der Eifer der Partei mag inhaltlicher Natur sein. Zweifellos kommt es ihr aber entgegen, dass sie sich im Unterschied zu den etablierten Parteien CVP, FDP, SP und SVP nicht gegen ihre eigenen Leute im Regierungsrat stellen muss.

Grünliberale sehen Profilierungschance

GLP-Präsident Jürg Grossen sagt: «Wird jemand befristet in ein Amt gewählt, rechtfertigt dies noch lange nicht, dass er oder sie bis ans Ende der Tage vom Staat durchgefüttert wird.» Für ihn sind langjährige Rentenzahlungen nicht mehr zeitgemäss. Exekutivpolitiker würden zunehmend jünger und wechselten frei zwischen Privatwirtschaft und Politik, sagt Grossen. «Ein politisches Amt ist heute keine Lebensaufgabe mehr, sondern umfasst einen bestimmten Lebensabschnitt, so wie das bei einer leitenden Funktion in der Privatwirtschaft der Fall ist.» Grossen hält es deshalb für zumutbar, dass abtretende Regierungsräte nach etwa einem Jahr wieder selbst für ihr Einkommen aufkommen.

Doch schadet das nicht der Attraktivität des Amtes? «Gute Politiker sind nicht durch Geld motiviert, sondern wollen der Sache dienen», sagt Grossen. Und die Unabhängigkeit der Exekutivpolitiker: Ist die nicht bedroht, wenn die Regierungsräte kurz nach Abtritt bereits auf Jobsuche müssen?» Grossen sagt, er könne sich nicht vorstellen, dass ein Exekutivpolitiker, der noch im Amt sei, bereits auf eine Stelle danach schiele. «Wenn dem so wäre, würde das auch ziemlich schnell auffliegen.» Grossen kündigt an, dass die GLP in weiteren Kantonen aktiv werden wird. «Wir schauen verschiedene Kantone an. Dort, wo die Entschädigungen übertrieben sind, prüfen wir weitere Vorstösse», sagt Grossen.