Die Nationalbank bringt dieser Tage den neuen 100-Franken-Schein in Umlauf. Auf die Frage, wie lange es noch Papier- und Münzgeld geben wird, hat sie aber nur bedingt Einfluss.
Der weltweite Trend zum bargeldlosen Zahlen macht auch vor der Schweiz nicht halt. Diese Feststellung wird Jahr für Jahr aufs Neue durch Umfragen und Statistiken zum Zahlungsverhalten von Frau und Herrn Schweizer belegt. Doch während Noten und Münzen beispielsweise im schwedischen Alltag schon fast ganz verschwunden sind, ist Bargeld hierzulande immer noch intensiv im Einsatz.
Kein Wertpapier hat hierzulande eine grössere Verbreitung als der 100-Franken-Schein. Mehr als jede vierte Banknote ist ein Hunderter. 134 Millionen Stück befinden sich im Umlauf. Mit 13,3 Milliarden Franken erreicht ihr wertmässiger Anteil am gesamten Notenumlauf rund 17 Prozent.
Ein Grossteil der blauen Scheine steckt aber nicht in den Portemonnaies der Konsumenten, sondern liegt in den Sparbüchsen der Haushalte, wo sie im Bedarfsfall die sofortige Verfügbarkeit von Bargeld sicherstellen sollen. 37 Prozent der Schweizer Haushalte unterhalten eine solche Kasse und meistens sind dort 100-Franken-Scheine drin, wie die letzte Zahlungsmittelumfrage der Nationalbank aus dem Jahr 2017 ergeben hat.
Ob das auch in 20 oder 30 Jahren noch so sein wird, wenn die Ausgabe der nächsten Notenserie fällig würde, weiss zwar auch die Nationalbank nicht. Immerhin aber meinte deren Chef Thomas Jordan am Dienstagsvormittag anlässlich der für lange Jahre letzten Noten-Vernissage in Bern:
«Ich glaube nicht, dass dies die letzte Notenserie gewesen ist. Banknoten sind ein sehr nützliches Zahlungsmittel. Es wird sie geben, solange in der Bevölkerung ein Bedürfnis dafür besteht.»
Wünschenswert sei der Fortbestand von Bargeld auf jeden Fall, findet Hans Gersbach, Professor für Makroökonomie, Innovation und Politik an der ETH Zürich. Zwar will der Wissenschaftler nicht ausschliessen, dass der technologische Fortschritt den alltäglichen Gebrauch von Bargeld dereinst obsolet machen könnte. Doch die Alternative von elektronischem Notenbankgeld sei kein vollwertiger Ersatz für Banknoten. «Eine technische Lösung allein ist zu wenig robust für ein Geldsystem», ist Gersbach überzeugt.
Ein grosser Vorteil von Bargeld sei auch dessen Einfachheit, die dem Nutzer nicht zuletzt eine gute Kontrolle über sein Ausgabeverhalten erlaube. Überdies schütze Bargeld die in der Verfassung verankerten Persönlichkeitsrechte, weil es eine vollständige Anonymität von Zahlungen ermögliche.
Tobias Trütsch, ein auf das Bezahlwesen spezialisierter Ökonom der Hochschule St. Gallen ist sich sogar «sicher», die Ausgabe der zehnten Notenserie noch selber zu erleben. «Tatsächlich entspricht Bargeld einem grossen Bedürfnis bei uns», wie er weiss aus eigener Forschungsarbeit weiss. Doch das Bedürfnis allein ist kein Garant dafür, dass Bargeld im Alltag auch in 30 Jahren noch breite Verwendung findet.
Zwar stellte die Umfrage der Nationalbank fest, dass 70 Prozent aller spontanen Konsumationen in der Schweiz noch immer mit Bargeld bezahlt werden. Doch ebenso belegt der im August veröffentlichte und ebenfalls im Umfrageverfahren erstellte «Swiss Payment Monitor» der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften und der Hochschule St. Gallen, dass Bargeld gemessen am Umsatz mit einem Anteil von 27 Prozent nur noch an zweiter Stelle hinter der Debitkarte (29 Prozent) figuriert. Nach Trütsch’ eigenen Berechnungen lag der wertmässige Anteil von Bartransaktionen 1990 noch bei rund 90 Prozent.
Der Vormarsch mobiler Bezahlmethoden vor allem in den jüngeren Bevölkerungsschichten dürfte die Statistik in den kommenden Jahren weiter zulasten des Bargeldes verändern. Dafür sorgen sowohl die etablierten als auch neue Finanzdienstleister, die sich einen zunehmend intensiven Wettbewerb um preisbewusste und technikaffine Kunden liefern.
Schwer wiegen für die Banken auch die Kosten der Bargeldversorgung, die sich in den landesweit rund 3000 Bankfilialen und im Betrieb der etwa 7000 Bancomaten akkumulieren. Die bankeneigene Infrastrukturbetreiberin Six schätzt diese auf jährlich rund 1,3 Milliarden Franken. Zur Eindämmung dieses finanziellen Aufwandes verlangen einzelne Banken inzwischen Gebühren für den Bargeldbezug am Bankschalter. Während die Anzahl Bankfilialen schon seit Jahren schrumpft, hat in jüngster Zeit auch die Ausdünnung des Automaten-Netzes eingesetzt.
Wird der Bezug von Banknoten komplizierter und teurer, nimmt die Attraktivität bargeldloser Zahlungsmethoden zwangsläufig zu. Trütsch spricht von einem «schleichenden Prozess», der sich weiter beschleunigen könnte, wenn Bargeldzahler auch in den Geschäften nicht mehr willkommen wären. Eine solche Entwicklung erscheint gesetzlich mindestens nicht unmöglich. Jedenfalls erlaubt die in der Verfassung verankerte Vertragsfreiheit den Geschäften, die Annahme von Banknoten und Münzen abzulehnen, obschon es sich um gesetzliche Zahlungsmittel handelt.
Das Unbehagen über die Aussicht einer schrittweisen Abschaffung des Bargeldes brachte die oberste Konsumentenschützerin und Luzerner SP-Nationalrätin Prisca Birrer-Heimo vor Jahresfrist in einer Interpellation zum Ausdruck: «Die Meldungen von Privatpersonen häufen sich, dass es nicht mehr möglich ist, mit Bargeld zu bezahlen», warnte sie den Rat. «Es zeichnet sich ab, dass Wirtschaftsakteure ihre Kundinnen und Kunden zunehmend zu bargeldlosen Transaktionen umlenken, indem Leistungen und Produkte nur noch mit elektronischen Zahlungsmitteln zu beziehen sind.»
Trütsch sieht in diesem Szenario freilich keinen Widerspruch zu seiner Erwartung, dass auch die nächste Generation eine neue Notenserie erleben werde. In einem bargeldlosen Alltag wären Banknoten dann einfach noch mehr als jetzt schon ein schieres Wertaufbewahrungsmedium, meint er. Doch Jordan lässt durchblicken, dass ihm ein solche Entwicklung wenig gefallen würde: Es sei zwar nicht verboten mit Banknoten zu sparen, sagte er.
«Doch für uns ist wichtig, dass Noten tatsächlich auch für Zahlungen eingesetzt werden.»
Die schwedische Notenbanken steht gerade vor dem Dilemma Bargeld allenfalls durch durch eine elektronische Krone ersetzen zu müssen. Einfach deshalb, weil die hohen Kosten für die Aussgabe einer Notenserie schwer zu rechtfertigen sind, wenn die Scheine nur noch dem Zweck der Hortung dienen.