Kommt nun die Maskenpflicht im ÖV? Die wissenschaftliche Taskforce spricht sich neu dafür aus

Angesichts steigender Fallzahlen fordert die wissenschaftliche Taskforce weitere Massnahmen: Sie empfiehlt eine Maskenpflicht im ÖV und eine zehntägige Quarantäne für gewisse Einreisende.

Maja Briner
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Nur ein kleiner Teil der ÖV-Passagiere trägt eine Maske.

Nur ein kleiner Teil der ÖV-Passagiere trägt eine Maske.

Keystone

«Beunruhigend!» So kommentierte der Direktor des Bundesamts für Gesundheit, Pascal Strupler, am Wochenende auf Twitter die steigenden Fallzahlen. Seit Donnerstag wurden täglich zwischen 52 und 69 Corona-Fälle registriert. Und Zürich meldete einen «Superspreader-Event»: Knapp 300 Gäste und Angestellte eines Clubs mussten in Quarantäne, nachdem mehrere Besucher positiv getestet worden waren.

Die wissenschaftliche Taskforce fordert nun eine Maskenpflicht im ÖV, wie die «SonntagsZeitung» berichtet. Bisher hatte die Taskforce empfohlen, eine Maske zu tragen, wenn die Distanzregeln nicht eingehalten werden. Jetzt aber geht sie einen Schritt weiter. Taskforce-Leiter Matthias Egger bestätigt: «Wir haben diese Frage letzte Woche nochmals diskutiert und beschlossen, eine Maskenpflicht im öffentlichen Verkehr zu empfehlen.» Auch im öffentlichen Raum solle die Maske in bestimmten Situationen Pflicht werden – immer dann, wenn die Nachverfolgung nicht gewährleistet werden kann.

Der Bund beliess es bisher beim dringenden Rat, im ÖV Maske zu tragen, wenn der Abstand nicht eingehalten werden könne. Zur Forderung nach einer Pflicht äussert sich das Bundesamt für Gesundheit nicht konkret. «Die tendenziell steigenden Fallzahlen werden sehr ernst genommen», versichert es. Falls erforderlich, würden Massnahmen in Absprache mit den Kantonen ergriffen. Diese hätten die Hauptverantwortung.

Genfs Gesundheitsdirektor hatte sich schon letzte Woche für eine Maskenpflicht im ÖV ausgesprochen, Kantone wie Zürich standen dagegen auf die Bremse. Der Präsident der kantonalen Gesundheitsdirektorenkonferenz (GDK), Lukas Engelberger, sagte gestern: «Die Maskenpflicht kann ein Instrument sein, wenn die Fallzahlen steigen.» Eine Tragepflicht müsse regional koordiniert werden, fordert die GDK. Mit dem Bundesamt für Gesundheit sei zeitnah ein Austausch dazu geplant.

Quarantäne nach der Einreise

Sorge bereitet den Verantwortlichen offenbar die anstehende Ferienzeit. Laut Angaben von letzter Woche waren 15 bis 20 Prozent der Fälle aus dem Ausland eingeschleppt worden. Die Taskforce empfiehlt nun, den Einreisenden an den Flughäfen Fieber zu messen. Zudem sollen Reisende aus Ländern, welche die Epidemie nicht unter Kontrolle haben, zehn Tage in Quarantäne. Gemäss den Forschern müsste diese Vorgabe aktuell für Reisende aus zahlreichen Ländern gelten, darunter Grossbritannien und Serbien.

Neben den steigenden Fallzahlen beunruhigt Experten auch die Reproduktionszahl. Diese sagt aus, wie viele Personen ein Infizierter im Schnitt ansteckt. Mitte März sank der Wert unter die kritische Schwelle von eins. Seit der zweiten Juniwoche liegt er wieder signifikant darüber; laut den neusten Berechnungen bei zwischen 1,4 und 1,8.

«Das ist gar nicht gut – es bedeutet, dass es wieder zu einer exponentiellen Zunahme der Fälle kommen könnte», sagt Taskforce-Leiter Egger. Es gelte nun abzuwarten, ob sich der Anstieg der Reproduktionsrate in den nächsten Tagen bestätige. Egger sieht aber auch eine beruhigende Nachricht: Die Rate der positiven Tests sei tief geblieben. 99 von 100 Tests fallen negativ aus.

ETH-Professorin Tanja Stadler berechnet mit ihrem Team den Reproduktionswert. Letztmals sei dieser am 10. bis 13. März ähnlich hoch gewesen, erklärt sie. Der Unterschied: Damals sei er kontinuierlich gesunken; derzeit steige er an. «Wir erwarten daher einen Anstieg der Fallzahlen, jedoch nicht so rasant wie damals im März.»