Der Bundesrat ernennt nicht die Favoritin zur neuen Staatssekretärin für Sicherheitspolitik. Es fällt schwer, das nicht im Kontext der Neutralitätsdebatte zu lesen.
Jean-Daniel Ruch, aktueller Botschafter in der Türkei, wird Staatssekretär für Sicherheitspolitik und steigt in die höchste Verwaltungskaste auf. Das Nachsehen hat Pälvi Pulli, aktuell Chefin Sicherheitspolitik im Verteidigungsdepartement. Es ist eine grosse Überraschung: Nachdem in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden war, das neu geschaffene Staatssekretariat sei eigentlich Pullis Erhebung in den Ritterstand und ganz nach ihren Bedürfnissen eingerichtet, wird sie nun lediglich Mitarbeiterin, bestenfalls Stellvertreterin von Ruch. Das ist eine persönliche Schlappe für Pulli, die sich innerhalb der Armee nicht nur Freunde gemacht hat im Ringen um die Deutungshoheit im VBS.
Man kommt aber nicht umhin, Ruchs Berufung im Kontext der brennenden Neutralitätsdebatte zu lesen. Während Pulli forsch mit einer Annäherung an die Nato sympathisierte, fiel Ruch in der Vergangenheit mit einer radikaleren Neutralitätsauslegung auf. Als er einst in seiner Funktion als Nahost-Sonderbotschafter für seine Kontakte zur Milizorganisation Hamas kritisierte wurde, entgegnete er: «Kategorien wie Freund oder Feind greifen zu kurz und sind oft etwas naiv.» Ruch ist damit für die aktuelle Linie des Bundesrats die sicherere Wahl.
Der heutige Botschafter in der Türkei wird sich auch diplomatischer ausdrücken als die Ex-Ruag-Chefin Brigitte Beck, die im Zuge umstrittener Ukraine-Äusserungen den Hut nehmen musste. Beck wie Pulli liefen kaum nur wegen ihrer Kommunikation auf. Die beiden Fälle sind zudem unterschiedlich komplex. Eines aber haben sie gemeinsam: Beide Frauen sprachen aus, was VBS-Chefin Viola Amherd denkt. Es fällt auf, dass das nicht hilft.