Putins kriegerischer Plan, das alte Imperium wiederherzustellen, ist eine akute Bedrohung für den Frieden in Europa. Es braucht rasch harte Sanktionen und mehr militärische Abschreckung. Die freie Welt muss sich wappnen, auch die Schweiz.
Was sich in den vergangenen 48 Stunden ereignet hat, ist eine geopolitische Erschütterung, wie sie Europa seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs nicht mehr erlebt hat.
Mit seinen Taten – Entsendung von Truppen ins ostukrainische Donbass-Gebiet – insbesondere aber mit seiner irren Rede an die Nation – Ex-Sowjetrepubliken sind keine eigenen, von Russland unabhängige Nationen – zwingt uns Wladimir Putin dazu, die Welt schonungslos neu zu analysieren und daraus auch für unser Land die richtigen Schlüsse zu ziehen. Es ist höchste Zeit dafür.
Was ist passiert?
Putin hat nicht Angst vor einer vermeintlich boshaften, herrschsüchtigen Nato. Das ist ein Propaganda-Narrativ, auf welches wir nicht hereinfallen dürfen.
Putin hat Angst vor einer prosperierenden, demokratischen, freien, rechtstaatlichen Ukraine unmittelbar vor seiner Haustür, die der russischen Opposition möglicherweise als Beispiel für die Zukunft dienen könnte.
Putin hat Angst vor seinem eigenen Volk, vor dem Zerfall seiner Macht. Vor dem Aufstand einer russischen Jugend, die genug hat von der despotischen Herrschaft einiger Weniger. Deshalb muss der Weg der Ukraine in Richtung Europa, in Richtung Freiheit und Demokratie mit allen Mitteln verbarrikadiert werden.
Putins aggressiver, völkischer Nationalismus, sein demonstrativer Militarismus, seine Kanonenbootdiplomatie mit vorgehaltener Pistole (oder sind es eher Atomraketen?), sein Zynismus, seine Lügenpropaganda, sein Imperialismus – das alles bedroht den Frieden in Europa und darüber hinaus.
Putin ist längst nicht nur eine Gefahr für die Ukraine. Putin ist eine Gefahr auch für Länder wie die Schweiz, die gar nicht so weit weg ist. Wer sich um die Einhaltung internationaler Regeln foutiert, schadet den Interessen eines Kleinstaats massiv.
Soweit die Analyse. Entscheidender ist nun freilich die Frage, wie mit dem Kremlherrscher umzugehen ist. Gibt es ein Mittel, Putin zu stoppen? Nüchtern betrachtet, kann das niemand mit Gewissheit sagen. Der internationalen Gemeinschaft bleibt daher nichts anderes übrig, als die Kosten für Putin weiter hochzutreiben. Es ist daher zwingend, jetzt scharfe Sanktionen gegen das Regime in Moskau zu verhängen. Die Zeit des Appeasement, der Besänftigung, des verständnisvollen Lavierens ist vorbei.
Das gilt auch für die Schweiz. Das Neutralitätsrecht sieht vor, dass wir uns nicht an kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligen. Daraus erschliesst sich jedoch keine politische Verpflichtung, flagrante Verletzungen des internationalen Rechts einfach tatenlos hinzunehmen. Der Bundesrat sollte sich daher rasch den Sanktionen grosser westlicher Staaten anschliessen und wenn immer möglich die Position der EU, die unsere Werte teilt, unterstützen.
Dass Staatssekretärin Livia Leu aktuell nicht in der Lage ist, zur Sanktionsfrage etwas Substanzielles zu sagen, ist ein Armutszeugnis.
Hat sich im Eidgenössischen Departement für auswärtige Angelegenheiten und im Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) denn niemand damit beschäftigt in den vergangen Wochen und Monaten? Versteckspiel statt klare Kante.
Putins Brutalität sollte uns aber auch auf einer anderen Ebene die Augen öffnen. Ein reiches Land wie die Schweiz muss zwingend einen substanziellen Beitrag zur Verteidigung Europas leisten. Alles andere wäre nicht nur unsolidarisch. Sondern vor allem auch fahrlässig. Es ist leider so: Der Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln ist zurück. Und zwar nicht nur in einer (freilich nicht minder gefährlichen) hybriden Form mit Cyber-Angriffen, Desinformationskampagnen und Sabotageakten. Sondern als Revival von klassischen Schlachten, die wir für längst überholt gehalten haben.
Wachen wir auf in unserer heimeligen Wohlstandszone, es gibt Männer auf dieser Welt – Putin dürfte nicht der einzige sein – die primär die Sprache der Abschreckung verstehen.
Europa und die Schweiz haben sich zu lange in falscher Sicherheit gewiegt, geglaubt, die Amerikaner holten dann schon für uns die Kohlen aus dem Feuer.
Was macht Europa im Angesichte des russischen Bären, wenn dereinst ein Donald Trump zurückkehrt und eventuell nicht mehr bereit ist, die baltischen Staaten oder Polen zu verteidigen? Viel zu lange hat Europa geglaubt, derlei Fragen gingen uns im Grunde gar nichts an. Panzerschlachten gehörten ja der Vergangenheit an.
Jetzt lernen wir schmerzhaft: Das war ein Irrtum. Es ist Zeit, sicherheitspolitische Grundsatzfragen mit grösserer Ernsthaftigkeit zu diskutieren. Die Schweiz braucht eine glaubwürdige Armee, die eine abschreckende Wirkung erzielt. Dazu gehören selbstverständlich moderne Kampfflugzeuge, wie sie jetzt beschafft werden sollen. Putins Aggression zeigt: Die Erneuerung der Luftwaffe ist zwingend.
Wichtig ist aber auch, darüber zu diskutieren, wie diese Armee im Notfall eingesetzt werden muss. Sie wird das Land nämlich nicht alleine verteidigen, wie Armee-Nostalgiker immer wieder glauben machen. Dafür sind die technischen Abhängigkeiten der Waffensysteme zu gross. Die Schweiz sollte offener dazu stehen, dass sie gemeinsam mit den Nachbarstaaten den mitteleuropäischen Raum sichert. Die Aufrechterhaltung des Friedens, die Selbstbehauptung von Demokratie und Rechtsstaat sind kollektive Aufgaben, denen wir uns stellen müssen.
Was in diesen doch betrüblichen Stunden der europäischen Geschichte nicht unerwähnt bleiben soll: Es muss immer weiterverhandelt werden. Die Türen bleiben offen, auch für einen Gewaltherrscher wie Wladimir Putin. Die Schweiz leistet Gute Dienste und trägt damit aktiv zur Verständigung und zum Austausch bei. Wir verstecken uns aber nicht feige hinter der Neutralität – weder politisch-moralisch noch militärisch. Lächle freundlich und halte stets einen Knüppel in der Hand.
Klare Analyse - aber man hätte es schon früher wissen können. Putin hat die Maske schon mehrfach gelüftet, jetzt hat er sie fallen gelassen. Was abgeht, erinnert irgendwie an das, was ich in Geschichtsbüchern über die Jahre vor 1938 gelesen habe. Diplomatie mit Verbrechern: hat noch nie funktioniert.
Ein sehr einseitiger Kommentar. Unser Land hochrüsten und einfach bei allem den anderen nachhecheln, kann nicht die Lösung sein. Ein Ort zu sein, wo im späteren Verlauf ernsthafte Gespräche geführt werden können, ist genau so wichtig. Jetzt in Aktionismus aus Panik zu verfallen, ist wahrscheinlich genau die falsche Lösung. Die Frage stellt sich, was passiert wenn es keine Sanktionen mehr gibt, die man verhängen kann? Eine weitere Frage wird sein, ist es richtig Russland direkt in die Arme von China zu treiben? Russland wird sich umorientieren müssen, wenn alle Sanktionen gesprochen sind. Respektive wie schlagkräftig sind dann die Sanktionen wirklich? Wenn wir dann neben China auch noch Indien in unsere Überlegungen aufnehmen, eröffnet sich für Russland der weltgrösste Markt. Betrachten wir es doch realistisch, Europa hat in der Welt sehr wenig zu melden. Amerika wird wahrscheinlich zukünftig innenpolitisch sehr mit sich selbst beschäftigt sein und mit dieser Geschwindigkeit der Verschuldung in einigen Jahrzehnten nicht mehr die grösste Wirtschaftskraft sein. Also können wir als europhobe Schweiz nur wirtschaftlich und sicherheitstechnisch mit Europa zusammenarbeiten. Das wird interessant ;-)