Der 66-jährige Emmentaler Johann Schneider-Ammann verlässt per Ende Jahr den Bundesrat nach acht Jahren Amtszeit. Der Unternehmer trat als Hoffnungsträger der Bürgerlichen an. Nun hat er durchaus Erfolge vorzuweisen - vielleicht gerade wegen seiner oft tapsigen Art.
Der Schlussakt lief beinahe noch schief. Wenn es denn wirklich so war, wie «TeleZüri» berichtete, dass Johann Schneider-Ammann, kurz JSA, am Freitag zurücktreten wollte, dann hat jemand seine Pläne verraten. Dann hat JSA irrtümlicherweise Personen eingeweiht, die seines Vertrauens nicht würdig waren und höchst Persönliches weitererzählten. Das wäre ein seltenes Vorkommnis im Zusammenhang mit dem Rücktritt eines Bundesrats, aber symptomatisch für die leicht holperige Politikkarriere des gebürtigen Emmentalers, Sohn eines Tierarztes.
Als er im September 2010 in den Bundesrat gewählt wurde, galt er als eine Art Hoffnungsträger. Ein erfolgreicher Unternehmer, der ein anderes Denken in den Bundesrat bringen würde. Schneider-Ammann wurde gerade von der Linken unterstützt. Unter anderem weil er als gestandener Patron mehr Verständnis für Sozialpartnerschaft aufzubringen schien als die damals etwas kalt und forsch wirkende Gegenkandidatin Karin Keller-Sutter - die jetzt als seine aussichtsreichste Nachfolgerin gilt.
JSA wurde Wirtschaftsminister, und das nahm er wörtlich. Die Wirtschaft, die Unternehmen, waren für den gelernten Elektroingenieur das Mass aller Dinge. Ob eine Schraube für ein Fahrrad oder einen Panzer hergestellt wurde, schien im nicht so wichtig zu sein. Es ging um Arbeitsplätze. Jobs, Jobs, Jobs. Davon war er wie besessen. Das zeigte sich in den letzten Monaten am Umstand, dass er darauf drängte, Kriegsmaterial auch in Bürgerkriegsländer zu exportieren.
Er setzte stark und erfolgreich auf Freihandel mit aller Welt, mit China, mit Indien, und viele derartige Abkommen hätte er gerne noch abgeschlossen, mit Indonesien, mit Malaysia, mit den Mercosur-Staaten, das darf man ihm ruhig glauben. Von einem Abkommen mit den USA war zuletzt besonders oft die Rede, wobei das auch als Ablenkungsmanöver seines Departements und seine Generalsekretärs Stefan Brupbacher zu werten ist. Sie wollten so offensichtlich von der Rücktrittsfrage ablenken, die angesichts seiner offensichtlichen gesundheitlichen Probleme immer offener gestellt wurde.
Es hiess zuletzt immer mehr, JSA sei nur noch Aussenminister seines Departements, er reise um die Welt, seine Innenpolitik werde längst von eher neoliberalen Leuten wie seinem Generalsekretär und dem Staatssekretariat für Wirtschaft Seco geprägt. Man schrieb dies der zunehmenden Müdigkeit zu, die bei JSA festzustellen war. Er leite seine Departement längst nicht mehr selbst, hiess es. Falsch ist dies mit Sicherheit nicht, es zeigte sich an der Frage der Agrarpolitik und den flankierenden Massnahmen im EU-Dossier. Er verfolgte in beiden Fällen Linien, die in die Mauer führen mussten und in dieser ideologischen Härte auch für den Nicht-Politiker untypisch waren.
JSA ist, das hat ihn immer ausgezeichnet, ein ehrlicher Mensch, als Politiker wohl etwas zu ehrlich. Er hat sich nicht verbogen, er konnte sich oft nicht einmal anpassen, er verfügte nicht über die Flexibilität, die Wahrheit auch einmal am Mikrofon zu dehnen. Das muss man ihm lassen und das ehrt ihn. Gerade auch wurde er nie ein guter, nie ein richtiger Politiker.
Die Medien, wir Medien, machten uns immer wieder gerne über ihn lustig. Teilweise in beschämendem und ungerechtem Ausmass, es gab ganze Satiresendungen, die davon lebten. Aber immerhin versuchte hier einer, seine Arbeit redlich und gut zu machen.
Sein Auftritt am Tag der Kranken mit «Rire, c’est bon pour la santé» ist unvergessen, weil er so unvergleichlich unfreiwillig komisch war. Sein Ziel, Leute zum Lachen zu bringen, hat er gerade deshalb erreicht. So wie er trotz seiner politischen Unbeholfenheit durchaus viele seiner Ziele erreicht hat.
Es gelang nicht alles, die Hochseeflotte etwa geriet aus dem Ruder. Vor allem gegen Schluss ist einiges zunehmend schiefgelaufen. Weil der Berner zunehmend überfordert und gleichzeitig von seinen Leuten getrieben schien. JSA wurde stur, er war von einer Haltung fast nicht mehr abzubringen, wie Mitglieder in Kommissionen berichten. Er schien gar nicht mehr richtig zuzuhören. JSA war müde geworden.
Schneider-Ammann wird nicht als grosser oder visionärer Bundesrat in die Geschichte eingehen. Aber er war ein durchaus erfolgreicher Bundesrat, der viel gearbeitet und viele Jobs geschaffen hat. Und, vor allem: Er war und ist eine grundehrliche Haut. So einer tut der Politik allemal gut.