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SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner fordert die CVP auf, Bundeskanzler Walter Thurnherr auf das offizielle Kandidatenticket zu setzen. Es ist ein Name, der hinter den Kulissen immer wieder fällt.
Er sagte es gestern wieder, deutlicher als je zuvor. «Ich will nicht Bundesrat werden», betonte CVP-Präsident Gerhard Pfister in einem Interview mit dem «Sonntags-Blick». «Ich stehe nicht zur Verfügung.» Selbst für den Fall, dass er bei den Wahlen am 5. Dezember nach dem ersten Wahlgang plötzlich am meisten Stimmen auf sich vereinigte, «würde ich wohl erklären», sagte Pfister, «dass ich eine Wahl nicht annehmen könnte und die Bundesversammlung jemanden der offiziell Kandidierenden aus der CVP wählen sollte».
Mit diesem unmissverständlichen Nein rückt Bundeskanzler Walter Thurnherr für verschiedenste Politiker wieder in den Fokus als möglicher Bundesratskandidat. «Da Gerhard Pfister nicht zur Verfügung steht, ergibt sich eine neue Situation», sagt der Aargauer SVP-Nationalrat Ulrich Giezendanner. «Deshalb fordere ich die CVP nun dazu auf, Walter Thurnherr als Leuchtturm auf die erste Position ihres offiziellen Kandidatentickets zu setzen.» Thurnherr wäre der «ideale Kandidat der CVP», glaubt Giezendanner. «Er ist bürgerlich, ein hochintelligenter CVPler, und er weiss, was führen heisst.» Dass der Bundeskanzler nicht mehr im Aargau wohne, sondern im bernischen Sigriswil, sei kein Hindernis, sagt Giezendanner. Die Kantonsklausel, die nur einen Bundesrat pro Kanton gestattete, sei 1999 abgeschafft worden. Zudem sei Thurnherr ein Aargauer, der in Bern lebe. Er werde im Parlament für eine Kandidatur Thurnherr weibeln. «Dafür suche ich mir auch die Hilfe von SVP-Wahlkampfleiter Adrian Amstutz.» Thurnherr würde in der FDP- und der SVP-Fraktion «praktisch alle Stimmen» machen.
Der Bundeskanzler gilt seit längerem als Geheimfavorit auf die Nachfolge von Bundesrätin Doris Leuthard. Thurnherr sei ein Name, der hinter den Kulissen immer wieder falle, sagt CVP-Ständerat Isidor Baumann. «Man darf ihn erst nach den Bundesratswahlen vergessen.» Andere Bürgerliche halten fest, der Bundeskanzler könnte am 5. Dezember im ersten Wahlgang plötzlich auf 40 bis 50 Stimmen kommen. Die Frage sei, was er dann tue: Wartet er ab, oder erklärt er den Verzicht? Thurnherr erhält gute Noten von links bis rechts. Er sei «der fähigste Bundeskanzler seit langem», hielt der ehemalige SP-Präsident Peter Bodenmann in seiner Analyse zum Bundesratsfoto des Jahres 2018 in der «Weltwoche» fest. Und Adrian Amstutz sagte in der «NZZ am Sonntag»: «Thurnherr wäre der beste Bundesratskandidat, den die CVP momentan noch hat.»
Thurnherr machte eine Bilderbuchkarriere. Nachdem er an der ETH Zürich theoretische Physik studiert hatte, trat er mit 25 Jahren in den diplomatischen Dienst ein. Der damalige Aussenminister Flavio Cotti holte ihn von der Schweizer Botschaft in Moskau als Mitarbeiter nach Bern. Später steuerte Thurnherr als Generalsekretär drei Departemente: das Aussen-, das Wirtschafts- und das Verkehrsdepartement.
Thurnherr ist der zweite Bundeskanzler in der Geschichte, der als Bundesrat gehandelt wird. 1983 versuchten die Bürgerlichen, Bundeskanzler Walter Buser (SP) als inoffiziellen Nachfolger von SP-Bundesrat Willi Ritschard zu montieren. Doch die SP roch den Braten. Willi Ritschard selbst habe in den letzten Monaten seines Lebens befürchtet, «dass die Bürgerlichen uns Walter Buser in den Bundesrat setzen möchten», schrieb der damalige SP-Präsident Helmut Hubacher in der «Roten Revue». Die Bürgerlichen wählten in der Folge Otto Stich statt der offiziellen Kandidatin Lilian Uchtenhagen.
Thurnherr selbst hat mehrfach betont, eine Kandidatur komme nicht in Frage. Etwa auf «Kein Hochglanzmagazin» der Journalistin Anna Maier. «Ich möchte nicht Bundesrat werden», sagte er da. «Es gibt genügend andere, die das gut können. Und mir gefällt es als Bundeskanzler.» Dasselbe sagte er am 1. August auch gegenüber der Redaktion von CH Media. Und gestern hielt er fest, er habe seine Meinung nicht geändert: «Es gibt sieben Bundesräte, aber nur einen Bundeskanzler.»
Sage Thurnherr, er sei «gerne Bundeskanzler und wolle nicht Bundesrat werden, meint er es ernst», betont Marianne Binder, Präsidentin der CVP Aargau. «Das Amt des Bundeskanzlers ist ein wichtiges und erfüllendes Amt. So, wie er es ausführt, dient Thurnheer dem Lande sehr.» Binder sagt weiter: «Es käme mir im Übrigen gerade auch kein besserer Bundeskanzler in den Sinn!» Für SVP-Fraktionschef Thomas Aeschi ist eines klar: «Wir werden uns an den Wahlvorschlag der CVP halten.»