Der oberste Raumplaner der Schweiz tritt ab. Ein Gespräch mit dem scheidenden Direktor des Bundesamtes für Raumentwicklung, Pierre-Alain Rumley, über die Zersiedlung der Schweiz und die Zukunft der Raumplanung.
Pierre-Alain Rumley: Nein, aber es ist schwierig, unseren Erfolg zu messen. Ohne Raumplanung wäre die Zersiedelung noch grösser. Wenn die Zersiedelung fortgeschritten ist, ist der Bund zumindest nicht alleine schuld.
Rumley: Ja. Ich bin zwar dagegen, alles zu zentralisieren, aber es gibt einiges zu verbessern. Mit den Agglomerationsprogrammen sind wir auf dem richtigen Weg. Wir haben es geschafft, den Blick über die Gemeinde- und Kantonsgrenzen hinaus zu erweitern.
Rumley: Im Prinzip kann schon heute nicht jede Gemeinde machen, was sie will. Die Kantone hätten es in der Hand. Sie machen Vorgaben und kontrollieren. Aber es gibt grosse Unterschiede. Die einen Kantone setzen ihre Planung konsequent um, die anderen lassen den Gemeinden viel Spielraum.
Rumley: Das ist eine heikle Frage. Wenn wir nichts ändern, ist die weitere Zersiedelung programmiert. Man müsste wohl in den Agglomerationen, wo es raumplanerisch sinnvoll erscheint und die Nachfrage gross ist, stärker einzonen und dafür andernorts die Bauzonen redimensionieren – aber das ist politisch sehr schwer machbar.
Rumley: Gemeinden mit Auszonungen hätten den Eindruck, sie würden abgeschrieben. Sie würden argumentieren, man wolle sie zum Landschaftsschutzreservat machen. Aber dieses Argument ist falsch. Es braucht für eine gute Entwicklung nicht unbedingt mehr Einwohner. Diese bringen zwar mehr Steuern, die Gemeinden haben aber auch mehr Ausgaben. Noch heikler ist jedoch die Frage der Entschädigung für die betroffenen Grundeigentümer. Bei Auszonungen ist ihr Boden plötzlich ungleich weniger wert.
Rumley: Ja, die Leute haben Angst, ihre Lebensqualität zu verlieren. Dennoch muss man sich fragen, ob es nicht sinnvoll wäre, wenn der Kanton solche Gemeinden dazu anhalten würde, vermehrt einzuzonen.
Rumley: Ja, das stimmt. Kaum ein Regierungsrat würde sich in so einem Fall die Finger verbrennen wollen. Aber grundsätzlich bin ich überzeugt, dass man die Bevölkerung mit vernünftigen Argumenten überzeugen kann.
Rumley: Ich würde überdimensionierte Baugebiete verkleinern und die Grundeigentümer zumindest teilweise entschädigen. Dafür müsste eine finanzielle Lösung gefunden werden.
Rumley: Solche Räume sind selten geworden – es bleibt das Juragebiet, das Emmental, das Entlebuch, Appenzell und einige Regionen in den Alpen. Man müsste diese Räume schützen – aber natürlich in Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung.
Rumley: Der Kanton Freiburg stand damals unter grossem Zeitdruck. Es fand sich nur eine mögliche – raumplanerisch schlechte – Variante, um der Firma ein so grosses Grundstück zur Ansiedelung zur Verfügung zu stellen.
Rumley: Niemand würde es wagen, wieder so etwas vorzuschlagen. Das heisst aber nicht, dass die Schweiz heute besser vorbereitet wäre. Baugebiete für ganz grosse Fabrikanlagen hat man immer noch nicht.
Rumley: Ja, aber die Flächen sind noch nicht festgelegt. Zur Diskussion stehen ehemals militärisch genutzte Gebiete, zum Beispiel im Kanton Wallis oder Bern, Gebiete, bei denen ich nicht weiss, ob sie aus raumplanerischer Sicht wirklich geeignet sind.
Rumley: Ausserhalb der Bauzonen werden fast nur noch landwirtschaftliche Bauten verwirklicht. Und das ist zonenkonform. Aber sonst darf da niemand mehr bauen.
Rumley: Ja, auch hier haben eigentlich die Kantone schon heute das Heft in der Hand. Sie können mit der Festlegung von Entwicklungsschwerpunkten sagen, wo sie solche Anlagen konzentrieren möchten. Der Kanton Bern etwa macht das vorbildlich. Coop und Migros ziehen am selben Strick. Neue Anbieter wie Aldi und Lidl suchen sich aus Gründen des Wettbewerbs andere Standorte.
Rumley: Ich bin froh, dass das Volk dank dieser Initiativen sagen kann, welche Raumplanung es will. Das Einfrieren der bisherigen Bauzonen könnte nur sinnvoll umgesetzt werden, wenn ein Austausch zwischen den Gemeinden und Regionen möglich würde. Dieser Punkt wird in den Kampagnen zur Pro-Natura-Initiative einen zentralen Platz einnehmen. Die Initiative von Franz Weber würde faktisch beinahe einen Baustop für grosse Einkaufszentren bedeuten – das muss man natürlich hinterfragen.
Rumley: Sie nimmt ein Anliegen auf, das der Bundesrat bei der Abschaffung der Lex Koller auch beherzigen will. Nur geht sie sehr weit. Ein Zweitwohnungsanteil von maximal 20 Prozent würde für viele Gemeinden in den Alpen das Aus für den Zweitwohnungsbau bedeuten. Der Zweitwohnungsbau würde auf andere Gemeinden übergreifen. Das wäre raumplanerisch nicht sinnvoll.
Interview: Christian von Burg