Google bringt Verlage in Zugzwang

Noch immer bewegt sich die Qualität der Schweizer Medien auf beachtlichem Niveau. Das stellt das gestern vorgestellte Jahrbuch Qualität der Medien fest. Sorgen bereiten die Konzentrationstendenzen.

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Junge Menschen greifen zum Smartphone, um sich kostenlos im Netz zu informieren. Das setzt der Medienbranche zu. (Bild: Getty)

Junge Menschen greifen zum Smartphone, um sich kostenlos im Netz zu informieren. Das setzt der Medienbranche zu. (Bild: Getty)

Pech für Arthur Rutishauser. In der stark Zürich-lastigen Runde, die sich am Montag in Bern über das neunte Jahrbuch Qualität der Medien beugt, ist er als Chefredaktor für die überregionalen Teile aller Tamedia-Titel in der Deutschschweiz mit einer Million potenzieller Leser der mit Abstand grösste Fisch – und deshalb auch am angreifbarsten. Er reagiert nüchtern, aber auch ein wenig beleidigt, wenn er unterstellt, Tamedia werde nur deshalb so hart angegangen, weil sie das Jahrbuch nicht mitsponsere.

Worauf Mark Eisenegger, dessen Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft an der Universität Zürich jeweils die Grundlagen erarbeitet, trocken entgegnet: Ringier unterstütze das Projekt auch und lande mit seinen Zeitungen trotzdem am unteren Ende der Qualitätsskala.

Weniger Leser, vor allem aber weniger Werbung

Die – immer noch durchaus beachtliche – Qualität (siehe Kasten) bildet aber nur den Nebenschauplatz. In der Hauptsache ist man sich nämlich über weite Strecken einig. Die Hauptsache, das ist die mit Zahlen erhärtete Erkenntnis, dass es den Schweizer Medienunternehmen schon seit Jahren nicht gut geht. Nicht nur kämpfen sie mit schwindenden Leserzahlen. Es sind vor allem auch die Werbeeinnahmen, die Jahr für Jahr ein wenig mehr abwandern, und zwar zu Google.

1,1 Milliarden Franken an Werbeeinnahmen verzeichnen die Zeitungen heute noch. Das sind 1,4 Milliarden weniger als noch vor zehn Jahren. Was da zu tun ist, beschreibt Arthur Rutishauser so: «Wir wollen mit weniger Ressourcen für unsere Zeitungen ein Angebot erbringen, das sich am ‹Tages-Anzeiger› orientiert.»

Jacqueline Badran verzweifelt

Dass neben den Werbeeinnahmen auch die Leserbasis erodiert, hängt mit jener wachsenden Gruppe zusammen, die Mark Eisenegger die «News-Deprivierten» nennt: vorwiegend junge Menschen, die News nur noch sporadisch und von zumeist minderer Qualität konsumieren – und in jedem Fall nichts dafür zahlen wollen. Auf den Plattformen, die sie nutzen, steht das Audiovisuelle hoch im Kurs. Soll man angesichts dieser Zustandsbeschreibung verzweifeln? Die Zürcher SP-Nationalrätin Jacqueline Badran neigt dazu, wenn sie sagt: «Die Gebietsmonopole – zum Beispiel in Luzern und St. Gallen – , die sind das wirkliche Drama.» Und der Wissenschaftsjournalist Beat Glogger ärgert sich darüber, dass er im Winterthurer «Landboten» zu siebzig Prozent die selben Inhalte vorfindet wie im «Tages-Anzeiger». Womit die Runde wieder dort angekommen ist, wo sie angefangen hat – bei jener fortschreitenden Medienkonzentration, die sich im Tamedia-Modell, aber auch im unter dem Namen CH Media in Gang gesetzten Joint Venture der NZZ-Regionalmedien mit der Aargauer Zeitung Medien AG manifestiert.

Medienförderung: ja, aber anders

«Wir werden diese Medienverbünde genau beobachten», sagt Mark Eisenegger, und skizziert im Gespräch, worauf es seiner Ansicht nach ankommt: «Dass zum einen die Spezialisierung erhalten bleibt – nicht dass am Ende alle ein wenig von allem machen. Und dass zum andern die Kommentarhoheit gewahrt bleibt. Die beteiligten Zeitungen müssen für eigenständige Kommentierung sorgen.»

Aufhalten lässt sich der Prozess wohl nicht – aber steuern. Auch politisch. Allerdings gehen bisherige Vorschläge zum Ausbau der Medienförderung allen Teilnehmern viel zu wenig weit. Worin sie sich denn doch wieder einig waren.

«Echo der Zeit» an der Spitze

Eines stellt das Jahrbuch «Qualität der Medien» unmissverständlich fest: Dass Schweizerinnen und Schweizer derart grosses Vertrauen in die Qualität ihrer Informationsmedien haben, ist «Ausdruck einer überwiegend noch guten Medienqualität». Diese wird in umfangreichen Analysen ermittelt und mündet in ein so genanntes Qualitätsscore. An der Spitze rangiert mit 8,26 (von 10 möglichen) Punkten das Echo der Zeit von Radio SRF, am Ende liegt auf Platz 61 blickamabend.ch (3,12). Im oberen Drittel rangiert mit Platz 18 die Luzerner Zeitung, auf Platz 38 luzernerzeitung.ch. Das Tagblatt schafft es auf Platz 27, tagblatt.ch auf Platz 43. (R. A.)