In nur drei Monaten sind für die Pflege-Initiative schon 50000 Unterschriften gesammelt worden. Nun spricht sich mit dem Spitex-Verband jedoch eine gewichtige Organisation gegen die Vorlage aus.
Michel Burtscher
In verschiedenen Städten stehen sie heute auf der Strasse, Unterschriftenbögen in der Hand. Mitglieder verschiedener Sektionen des Verbands der Pflegefachfrauen und -männer (SBK) weibeln am «Tag der Pflege» für die Pflege-Initiative. Mit einem Verfassungsartikel will der SBK die Pflege in der Schweiz stärken und damit dem Fachkräftemangel entgegenwirken (siehe Kasten). Die Unterschriftensammlung läuft gut, sehr gut sogar. In rund drei Monaten sind bereits 50000 der nötigen 100000 Unterschriften zusammengekommen.
Die Liste der Unterstützer ist lang: Dazu gehören etwa der Hebammenverband, der Apothekerverband, die Ärztevereinigung FMH, die Stiftung Patientenschutz und VPOD, die Gewerkschaft im Service public. Doch ein gewichtiger Name fehlt auf dieser Liste: der Spitex-Verband Schweiz. Das ist kein Versehen, denn dieser unterstützt die Initiative nicht, wie Kommunikationschefin Francesca Heiniger auf Anfrage bestätigt.
Die Stärkung der Pflege sei auch ein Kernanliegen des Spitex-Verbands, sagt Heiniger. «Doch mit dem Weg, den der SBK geht, sind wir nicht einverstanden.» So kritisiert der Verband etwa, dass «mindestens 60 Prozent» des im Bereich der Spitex eingesetzten Pflegepersonals nicht berücksichtigt wird bei der Initiative. Damit sind die Fachangestellten Gesundheit (FaGe) und Pflegeassistentinnen gemeint, die bei der Spitex arbeiten. Tatsächlich werden diese Berufe im Initiativtext nicht namentlich erwähnt, sondern nur die diplomierten Pflegefachpersonen.
Zudem sieht der Verband Eingriffe des Bundes, wie sie die Initiative vorsieht, als nicht zielführend an. So soll der Bund etwa Bestimmungen für «anforderungsgerechte Arbeitsbedingungen» und für «Möglichkeiten der beruflichen Entwicklung» festlegen. Der Spitex-Verband ist jedoch der Ansicht, dass es nicht Aufgabe des Bundes ist, die Gestaltungsfreiheit der Spitex-Organisationen als Arbeitgebende zu beschränken, wie Heiniger sagt. Es müsse jeder Spitex-Organisation überlassen sein, wie und wo sie welche Schwerpunkte setzt – und dabei müssten auch regionale Gegebenheiten berücksichtigt werden können.
Helena Zaugg, Präsidentin des SBK, ist enttäuscht darüber, dass der Spitex-Verband die Pflege-Initiative ablehnt. «Das haben wir nicht erwartet, nehmen den Entscheid aber zur Kenntnis», sagt sie. Verstehen kann Zaugg die Kritik nicht. Dass nur die diplomierten Pflegefachpersonen explizit im Initiativtext erwähnt werden, habe einen einfachen Grund, sagt sie: «Seit Jahren werden viel zu wenige von ihnen ausgebildet – und der Bund und die Kantone unternehmen nichts dagegen.» Die Situation bei den FaGe und den Pflegeassistentinnen hingegen sei weniger prekär. Diese würden bei Annahme der Initiative aber auch profitieren, sagt Zaugg – und verweist auf einen Absatz im Initiativtext, in dem von «die in der Pflege tätigen Personen» die Rede ist. Damit seien alle gemeint, sagt sie. Zaugg weist auch den zweiten Kritikpunkt des Spitex-Verbands zurück: Es gehe nicht darum, dass der Staat nun massiv in die wirtschaftliche Freiheit privater Unternehmen eingreife, sagt sie. Vielmehr sollen Bund und Kantone «im Rahmen ihrer Zuständigkeiten» Massnahmen ergreifen können – also etwa, wenn sie Aufträge vergeben, so Zaugg.
Der SBK hat noch Zeit bis im Juli des nächsten Jahres, um die nötigen 100'000 Unterschriften für die Initiative zu sammeln. Das dürfte aufgrund des bisherigen Fortschritts aber nur noch eine Formsache sein. Beim SBK ist man zuversichtlich: «Wir zweifeln nicht daran, dass die Initiative zu Stande kommt», sagt Zaugg. Damit dürfte die Vorlage am Schluss vors Volk kommen.