Im Bündner Albulatal dürften bald elf Gemeinden in einer einzigen aufgehen. Nur so könne das Überleben im Tal gesichert werden, meint der Bergüner Gemeindepräsident Peter Nicolay.
bergün. Peter Nicolay, 47, ist ein bodenständiger Landwirt, den es vor einem Jahr von einer Stunde auf die andere in die Politik verschlagen hat. Als nach dem Nein der Bergüner Stimmbürger zum Bau eines Wasserkraftwerks fast der ganze Gemeinderat zurückgetreten war, stellte sich Nicolay der Gemeindeversammlung und wurde in einer Kampfwahl zum neuen Präsidenten gewählt.
Die 500-Seelen-Gemeinde zuoberst im Albulatal, dort wo die Rhätische Bahn auf ihrer Fahrt ins Engadin im Tunnel verschwindet, ist ein touristisches Zentrum. «Ohne den Fremdenverkehr, die RhB und die Kraftwerke ginge es uns finanziell noch schlechter», sagt Nicolay. Dann wäre die Pro-Kopf-Verschuldung, die heute schon kantonsweit die höchste ist, noch schlimmer.
Kein Wunder, wenn der Bergüner Gemeindepräsident einer der engagiertesten Befürworter einer Talgemeinde ist. Aus elf heute eigenständigen Kommunen, von denen ein paar gar weniger als 100 Einwohner zählen, soll eine einzige grosse Gemeinde entstehen. Nach Fläche würde diese neue Gemeinde eine der grössten im Land, aber mit rund 3000 Einwohnern gehörte sie immer noch zu den kleinen.
«Es ist vor allem die Sorge um die Zukunft der Volksschule, die mich antreibt», sagt Nicolay. Wenn es im Albulatal nicht gelinge, möglichst viele Gemeinden ins Boot zu holen, sei auch die neue gemeinsame Oberstufenschule in Tiefencastel mittelfristig gefährdet. Und das könnte dann eine gefährliche Abwärtsspirale in Gang setzen: «Welche junge Familie will dann noch im Tal wohnen?»
Die Zeit drängt: Wiesen hat sich bereits Davos angeschlossen, andere Gemeinden im unteren Albulatal könnten sich nach einem anderen Partner umsehen. Lantsch/Lenz wird Ende März darüber befinden, ob es mit Vaz/Obervaz zusammengeht, in der Gemeinde Albula mitmacht oder autonom bleiben möchte.
Einen gewichtigen Nachteil hat das Albulatal.
«Anders als das Val Müstair, das Bergell oder das Puschlav bildet das Albulatal in Bezug auf die Topographie, Kultur und Sprache keine geschlossene Einheit, was die Gefahr erhöht, dass einzelne Gemeinden abspringen», sagt Nicolay.
Graubünden mit heute noch 180 Gemeinden macht vieles für die Förderung von Gemeindefusionen. Zusammenschlüsse von ganzen Tälern zu einer einzigen Gemeinde sind hoch im Kurs.
Haben Gemeinden ihren Zusammenschluss einmal besiegelt, gewöhnen sich Behörden und Bürger in aller Regel schnell an die neuen Strukturen. Zu diesem Schluss jedenfalls kommt eine Untersuchung des Zentrums für Verwaltungsmanagement an der HTW Chur nach einer in den Jahren 2008 und 2009 in 90 Fusionsgemeinden der Schweiz durchgeführten Umfrage.