FLÜCHTLINGE: Sommaruga will mehr Syrer aufnehmen

Die Schweiz soll sich stärker für die Opfer des Kriegs in Syrien engagieren. Justizministerin Simonetta Sommaruga will dem Bundesrat die Aufnahme von zusätzlichen Flüchtlingen beantragen. Doch die Bilanz der bisherigen Programme ist durchzogen.

Drucken
In den Nachbarländern Syrien leben rund fünf Millionen Kriegsflüchtlinge. (Bild: BILAL HUSSEIN (AP))

In den Nachbarländern Syrien leben rund fünf Millionen Kriegsflüchtlinge. (Bild: BILAL HUSSEIN (AP))

Tobias Gafafer

Der Kampf um Aleppo eskaliert. Die syrische und die russische Luftwaffe bombardieren Teile der Stadt täglich. Bis zu 80000 Menschen sind von den Quartieren, die noch von den Rebellen gehalten werden, in den vom Assad-Regime kontrollierten Teil geflüchtet. Die Schweiz ergriff wegen des Bürgerkrieges Massnahmen: Im März 2015 beschloss der Bundesrat unter anderem die direkte Aufnahme von 3000 Schutzbedürftigen bis 2017.

Seither hat die Schweiz im Rahmen des Neuansiedlungsprogramms des UNO-Flüchtlingshilfswerks UNHCR 968 besonders verletzliche Personen aus den Nachbarländern Syriens aufgenommen; dies teilte das Staatssekretariat für Migration (SEM) am Donnerstag mit. Hinzu kamen 360 Personen, die humanitäre Visa erhielten. Bis Ende Jahr wollte der Bundesrat prüfen, ob die Schweiz zusätzliche Flüchtlingsgruppen aus der Region aufnehmen soll – und dabei auch die Entwicklung der Asylzahlen berücksichtigen.

Mehrere hundert Schutzbedürfte über zwei Jahre
An ihrer Sitzung vom Freitag soll sich die Regierung nun erneut mit Syrien beschäftigen. Laut mehreren informierten Quellen will das Justizdepartement (EJPD) von Simonetta Sommaruga das Neuansiedlungsprogramm um zwei Jahre verlängern und mehrere hundert weitere besonders verletzliche Personen aus der Krisenregion aufnehmen. Das EJPD nimmt dazu vorerst keine Stellung, da es sich um ein «grünes Geschäft» handelt, das erhöhter Vertraulichkeit unterliegt.

Beobachter gehen aber davon aus, dass sich Sommaruga durchsetzen dürfte. Aussenminister Didier Burkhalter etwa soll dem Vernehmen nach ihren Kurs weiterhin unterstützen. Zudem sind im Oktober weniger Asylgesuche eingereicht worden, für 2016 rechnet der Bundesrat mit weniger als 30000 Asylgesuchen. Die Bilanz der Syrien-Flüchtlingsprogramme ist allerdings durchzogen, wie der Bundesrat im September in einem Bericht einräumte. Nur langsam kommt vor allem das Umverteilungsprogramm der EU voran, an dem die Schweiz ebenfalls teilnimmt. Brüssel will damit über 100000 Flüchtlinge aus Griechenland und Italien, die besonders betroffen sind, auf andere Länder verteilen.

Im Herbst 2015 entschied der Bundesrat, dass das Kontingent von 3000 Flüchtlingen aufgeteilt und 1500 Personen über das EU-Programm aufgenommen werden sollen. Seither sind auf diesem Weg wegen Verzögerungen aber nur 161 Personen in die Schweiz gekommen. Das verbleibende Kontingent für die direkte Aufnahme aus der Krisenregion dürfte laut dem SEM Anfang 2017 ausgeschöpft sein.

Mit gutem Beispiel vorangehen
Kritiker werfen dem Bund vor, er handle zu zögerlich. Nationalrat Cédric Wermuth (SP/AG), Mitglied der staatspolitischen Kommission (SPK), weist dies zurück. «Die Neuansiedlung von Schutzbedürftigen aus der syrischen Krisenregion ist offenbar sehr kompliziert und nicht so einfach, wie man sich das vorgestellt hat.» Die Auswahl der Personen trifft das UNHCR. In der Schweiz überprüft diese zudem der Geheimdienst – um zu verhindern, dass islamistische Extremisten getarnt als Asylsuchende einreisen. Im europäischen Vergleich versuche die Schweiz aber relativ viel zu machen, sagt Wermuth. Er unterstützt die Aufnahme von zusätzlichen Schutzbedürftigen aus der Krisenregion grundsätzlich. «Die Schweiz kann mit gutem Beispiel vorangehen.» Dank ihrer Integrationskraft sei sie dafür geeignet. Auch Nationalrat Kurt Fluri (FDP/SO), Vizepräsident der SPK, spricht von einer guten Idee. Es handle sich um die Ärmsten der Armen. Zudem seien dieses Jahr weniger Asylsuchende als erwartet in die Schweiz gekommen, auch wenn sich dies wieder ändern könne.

Kritischer äussert sich die SVP. Wenn die Schweiz im Asylwesen nicht so viele Missstände hätte, wäre es grundsätzlich in Ordnung, mehr Flüchtlinge aus der Krisenregion aufzunehmen, sagt die Zürcher Nationalrätin Barbara Steinemann. «Wir haben aber bereits sehr viele Flüchtlinge.» Oft handle es sich dabei um Wirtschaftsmigranten, die hier nur ein besseres Leben suchten. Den Kriegsflüchtlingen helfe der Bund besser an Ort und Stelle. «Ein Franken bewirkt dort viel mehr als in der Schweiz.»

Auch für die Hilfe an Ort und Stelle hat der Bundesrat die finanziellen Mittel mehrmals aufgestockt. Die Schweiz beteiligt sich etwa mit 1,5 Millionen Franken an einem EU-Programm.