Europa feiert die Schweiz

Von der ausländerfeindlichen Insel zum Vorbild für ganz Europa: Die Ablehnung der Durchsetzungs-Initiative ändert das Bild der Schweiz in der EU. Aber das dürfte von kurzer Dauer sein.

Fabian Fellmann/Brüssel
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So viel Lob aus Europa erhalten die Schweizer nach Abstimmungen selten. «Mutbürger» seien sie, titelte «Spiegel Online». Die «Süddeutsche» erhob sie zum Vorbild für alle Europäer: «Lernen von den Schweizern», meinte sie. Der deutsche Justizminister Heiko Maas lobte auf Twitter: «Schweizer zeigen eindrucksvoll, dass es eben zwischen Stammtischparolen und Volkes Meinung einen Unterschied gibt.»

Mit Spannung verfolgt

Noch vor der Abstimmung hatte die Schweiz in Europa einen Ruf als Insel der reichen, knorrigen und ausländerfeindlichen EU-Skeptiker. Volksabstimmungen gelten vielen in Europa als Provokationsinstrument der Populisten, und die Schweizer dienten mit Initiativen wie jener zur Masseneinwanderung als Inspiration für die Rechtspopulisten in der EU. Entsprechend gespannt verfolgte Europa den Urnengang. Ein Ja zur Durchsetzungs-Initiative wäre als Verschärfung des Anti-EU-Kurses verstanden worden, weil Konflikte mit der Personenfreizügigkeit entstanden wären.

Mit dem gestrigen Nein zur Durchsetzungs-Initiative soll sich die Rolle der Schweiz nun ins Gegenteil verkehrt haben. Der deutsche EU-Parlamentarier Sven Giegold sieht in der Schweiz neu gar das Vorbild für die ganze EU. «Heute kann Europa von der Schweiz lernen: Ein breites Bündnis hat den Angriff von Rechts auf die Grundwerte entlarvt und abgewehrt», sagte der Grüne gestern. Die Schweiz hätte eine Lösung geliefert für ein Problem, welches die moderaten politischen Parteien in ganz Europa umtreibt: Wie den Rechtspopulisten beizukommen sei. Die Schweiz zeigt demnach, dass dies mit einer breiten Mobilisierung der Zivilgesellschaft möglich ist.

Weiterhin keine Lösung in Sicht

Die in der EU positiv empfangene Nachricht aus der Schweiz dürfte aber in Brüssel keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Das Grundproblem zwischen der EU und der Schweiz, der Konflikt um die Personenfreizügigkeit, bleibt bestehen. Eine einvernehmliche Lösung, welche die Forderungen der Masseneinwanderungs-Initiative erfüllt, zeichnet sich bisher nicht ab. Erst nach der Abstimmung in Grossbritannien über die EU-Mitgliedschaft werden die Verhandlungen zwischen der EU und der Schweiz über eine Schutzklausel weitergehen. In ihren jüngsten Stellungnahmen hat sich die EU-Kommission wenig kompromissbereit gezeigt. Das wird sich auch nach der Abstimmung über die Durchsetzungs-Initiative nicht ändern.