Über 130 Gewalttaten gegen Asylunterkünfte hat das deutsche Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr gezählt. Manchmal flogen Pflastersteine, oft gingen die Gebäude aber auch in Flammen auf.
Über 130 Gewalttaten gegen Asylunterkünfte hat das deutsche Bundeskriminalamt im vergangenen Jahr gezählt. Manchmal flogen Pflastersteine, oft gingen die Gebäude aber auch in Flammen auf. Die Zunahme der fremdenfeindlichen Gewalt, die in den meisten Fällen einen rechtsradikalen Hintergrund hatte, sei «beschämend» für Deutschland, sagte der deutsche Justizminister Heiko Maas.
In der Schweiz ist keine derartige Eskalation zu beobachten. Gemäss dem neusten Lagebericht des Nachrichtendienstes des Bundes (NDB) kam es im vergangenen Jahr zu einem einzigen Vorfall im Umfeld einer Asylunterkunft: Demnach bewarfen Unbekannte im September 2015 das Durchgangszentrum im zürcherischen Oberembrach mit Flaschen, ein Bewohner wurde geohrfeigt.
Insgesamt zählte der Nachrichtendienst im vergangenen Jahr 28 rechtsextrem motivierte Ereignisse. Das sind zwar mehr Fälle als 2014 (19 Fälle), aber weniger als noch zu Beginn des Jahrzehnts (2010: 55 Fälle).
12 Fälle waren mit Gewalt verbunden. Bei den übrigen Fällen handelt es sich gemäss NDB-Sprecherin Isabelle Graber um Ereignisse mit Bezug zur gewalttätigen Szene, bei denen aber keine Gewalt angewendet wurde. Dazu zählten «beispielsweise Demonstrationen, für die bekannte gewalttätige Gruppen mobilisiert hatten, sowie Gedenkanlässe oder Konzerte». Sowohl mit Bezug auf den Links- wie auch den Rechtsextremismus kommt der NDB zum Schluss, dass sich die Lage derzeit «weitgehend entspannt» präsentiere.
Hans Stutz, der für die Grünen im Luzerner Kantonsrat sitzt und die rechtsextreme Szene seit Jahren beobachtet, teilt diese Einschätzung: «Rechtsextrem motivierte Gewalttaten sind derzeit tatsächlich selten.» Gleichzeitig sei die vom NDB ausgewiesene Statistik mit Vorsicht zu geniessen, habe diese doch in den vergangenen Jahren Lücken aufgewiesen, so Stutz.
Dass Angriffe auf Flüchtlingseinrichtungen hierzulande Seltenheit haben, führt Stutz auf die fehlende gesellschaftliche Akzeptanz von Gewalttaten gegen Asylsuchende zurück. «In einzelnen deutschen Ortschaften werden solche Taten hingegen von einem beträchtlichen Teil der Bevölkerung mitgetragen.»
Der Blick in die jüngere Vergangenheit zeigt, dass Übergriffe auf Asylunterkünfte nicht nur beim nördlichen Nachbarn vorkommen: Zu Beginn der 1990er-Jahre häuften sich die Fälle in der Schweiz. Im Jahr 1991 zählte die Bundespolizei 77 Angriffe auf Einrichtungen des Asylwesens.
Der Nachrichtendienst bleibt denn auch wachsam: Die angespannte Situation im Asylbereich und weitere jihadistisch motivierte Anschläge in Europa könnten sowohl im rechts- wie im linksextremen Bereich zu einer «Verschärfung» der Lage führen, schreibt er im gestern publizierten Bericht.
Bereits bemerkbar gemacht hat sich die europäische Flüchtlingskrise im Internet, speziell in den sozialen Medien. Im vergangenen Jahr häuften sich die beleidigenden und rassistischen Kommentare, Asylsuchende wurden als «Gesindel» oder «Drecks pack» verunglimpft – die Koordinationsstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität spricht von einer «markanten Zunahme» der Meldungen, die wegen potenziell rassendiskriminierender Inhalte eingegangen seien. Die genauen Zahlen werden demnächst veröffentlicht.