Zwar ist das Internet für alle Parteien bereits zentrales Mobilisierungsmittel. Doch bis mit einer elektronischen Unterschrift auch eine Initiative unterzeichnet werden kann, wird es noch Jahre dauern.
bern. Kurz bevor die Frist für die Einreichung des Referendums gegen die biometrischen Pässe zu Ende ging, wurde die Bundeskanzlei überrascht. Tatsächlich erhielt sie über 64 000 Unterschriften gegen das Vorhaben. 50 000 wären nötig gewesen und am Schluss waren gar 63 000 gültig. Das Referendum kam unerwartet zustande. Denn zuvor fand kaum eine Diskussion darüber statt.
Überraschend war auch, dass die Unterschriften quasi im Alleingang von einem kleinen Komitee schnell zusammengetragen werden konnten. Und dies, ohne dass das Komitee auf der Strasse Leute ansprechen musste. Das Referendum kam praktisch nur über eine Internet-Aktion zustande. Die Gruppe, die nur über 5000 Franken verfügte und von keiner Partei unterstützt wurde, schrieb alle ihnen bekannten Leute per SMS an und verwies auf eine Homepage. Dort konnten Referendumsbögen heruntergeladen, weiterverschickt und unterschrieben werden. Ein Erfolg, der nur wegen den neuen Kommunikationsmitteln zustande kommen konnte.
Dies ist zwar das bekannteste, aber bei weitem nicht das einzige Beispiel, das zeigt, wie wichtig das Internet bei der Ausübung politischer Rechte geworden ist. Die elektronische Mobilisierung ist bei Parteien weit verbreitet wie etwa Internet-Petitionen. Immer wichtiger werden auch Internet-Plattformen wie Facebook, auf welchen Politiker präsent sind und problemlos Hunderte von Leuten erreichen. Über Facebook wird derzeit die Initiative zur Abschaffung der TV-Gebühren lanciert. Die Gruppe «Bye Bye Billag» zählt bereits fast 26 000 Personen. Auch beim Referendum gegen die Personenfreizügigkeit nutzten die Gegner das Internet.
Die schnelle und anonyme Art, Unterschriften zu sammeln, gibt derweil auch in der Landesregierung zu reden. An seiner Klausursitzung vom 19. Dezember hat der Bundesrat die Bundeskanzlei beauftragt, ein Papier zu den politischen Rechten im Internetzeitalter zu erarbeiten. Zur Diskussion stehen könnten die Erhöhung der Unterschriftenzahl oder die Verkürzung der Fristen.
Noch sei man nicht schlüssig, wie man reagieren wolle, sagt Vizekanzler Oswald Sigg auf Anfrage unserer Zeitung. Einerseits sei es problematisch, wenn Einzelpersonen oder Gruppen anonym sammelten. Deren Motive seien nicht sofort klar. Zudem finde das Ganze ohne öffentlichen Diskurs statt. Positiv hingegen sei, dass so viele, auch junge, wenig politisierte Leute angesprochen werden könnten.
Die Bedeutung des Internets ist dem Bund indes schon seit längerem klar. Seit 2002 arbeitet die Bundeskanzlei an Testprojekten für E-voting, das elektronische Stimmen und Wählen. Auch das E-collecting, das Sammeln von Unterschriften für Initiativen und Referenden mit einer rechtlich bindenden elektronischen Signatur, wird nun geprüft. So verlangt es eine breit unterstützte Motion von SP-Nationalrätin Jacqueline Fehr (ZH). Denn: Zwar kann rasch via Internet mobilisiert werden. Am Schluss aber muss jede Person den Bogen noch von Hand unterschreiben und per Post einschicken. Für Fehr ist klar, dass das E-collecting in fünf bis zehn Jahren Alltag sein wird. «Gerade für Junge und Gruppen mit wenig finanziellen Mitteln ist dies ein wichtiges Mittel.»
Allerdings: Noch ist die E-Demokratie Zukunftsmusik. In der Bundesverwaltung dämpft man zu hohe Erwartungen. Die Realisierung eines flexiblen Systems, das es erlauben würde, die im Föderalismus komplexen und verschiedenen politischen Rechte elektronisch ausüben zu können, ist aufwendig. Alle Stimmregister müssten harmonisiert werden. Fluktuationen, etwa ein Kantonswechsel, müssten rasch verzeichnet werden, damit nicht mehrfach unterschrieben werden kann. Dafür existieren vorläufig noch keine EDV-Programme.
Zudem könnten elektronische Sammlungen oder Abstimmungen anfällig auf Fehler oder Fälschungen via Hacker werden. Allein für den Aufbau des E-voting für nur die Hälfte der rund 120 000 Auslandschweizer braucht es viel Zeit. Das entsprechende Pilotprojekt läuft bereits seit 2002 und dauert noch bis 2012.