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Schweiz
Jetzt auch noch Ruedi Noser und Martin Schmid: Die Rivalen der St. Galler Bundesratskandidatin Karin Keller-Sutter geben reihenweise auf. Woran sie jetzt noch scheitern könnte.
Der Auftritt makellos, die Reaktionen begeistert. Für die Kommentatoren gab es nach der Lancierung von Karin Keller-Sutters Bundesratskandidatur am Dienstag keine Zweifel: Die 54-jährige St.Galler Ständerätin und ehemalige Regierungsrätin ist die perfekte Kandidatin für die Nachfolge von Johann Schneider-Ammann. «Es ist fast gespenstisch, wie sie den Anforderungskatalog an eine Idealkandidatin in der jetzigen Konstellation erfüllt», schrieb die neue «Neue Zürcher Zeitung».
Was kann jetzt noch schiefgehen? Auf ihrem Weg in den Bundesrat muss sie drei Stolpersteine überwinden.
Während der abtretende Johann Schneider-Ammann als Bundesrat die Wünsche aus der Parteizentrale zuverlässig befolgte, dürfte Keller-Sutter nach ihrer Wahl schwieriger zu kontrollieren sein. Sie politisiert in der Mitte der freisinnigen Ständeratsdelegation, hat aber keine Abneigung gegenüber Allianzen mit der Linken. Bei den Ständeratswahlen 2015 in ihrem Heimatkanton St.Gallen brüskierte sie ihre bürgerlichen Kollegen, als sie nach ihrer Wahl im ersten Wahlgang keine Empfehlung zu Gunsten von SVP-Kandidat Thomas Müller im zweiten Wahlgang abgeben wollte.
Etliche Bürgerliche interpretierten ihr Schweigen als Votum für Gewerkschaftsboss Paul Rechsteiner, der dann tatsächlich gewählt wurde. Aus Sicht des Mitte-Rechts-Lagers stellt sich daher die Frage: Nähme sich Keller-Sutter im Bundesrat zu viele Freiheiten heraus, um pragmatisch abzustimmen?
Keller-Sutter ist besonders im Ständerat gut vernetzt, gehört im Parlament aber nicht zur Weisswein-Fraktion, die während der Sessionen und nach Kommissionssitzungen bei einem Glas zusammensitzt. Als Keller-Sutter im Jahr 2013 als Ersatzstimmenzählerin kandidierte, erhielt sie nur 33 Stimmen, ein Negativrekord, wie das Wirtschaftsmagazin «Bilanz» kürzlich bemerkte.
«Sie darf das Zwischenmenschliche nicht unterschätzen», warnt daher ein FDP-Nationalrat. Parlamentarier neigten dazu, Bundesräte zu wählen, bei denen sie das Gefühl hätten, später eine offene Türe vorzufinden. An diesem Vertrauen müsse Keller-Sutter in den nächsten Wochen noch arbeiten.
Keller-Sutter stammt aus Wil im Kanton St.Gallen. Das ist auf den ersten Blick ein Plus: Die Ostschweiz hat seit acht Jahren kein eigenes Mitglied mehr in der Landesregierung. Doch je nach Szenario könnte sich der Vor- zum Nachteil entwickeln.
National- und Ständerat wählen bei den Bundesratswahlen im Dezember zunächst den Ersatz für die Aargauer CVP-Bundesrätin Doris Leuthard. Sollte Benedikt Würth, St.Galler CVP-Regierungsrat, überraschend das Rennen machen, wäre der Ostschweizer Anspruch auf einen Sitz erfüllt. Nach zwei Zürchern (Ueli Maurer und Moritz Leuenberger) und zwei Bernern (Johann Schneider-Ammann und Simonetta Sommaruga) dürfte die Lust im Parlament auf eine weitere kantonale Doppelvertretung im Bundesrat klein sein.
Trotz aller Stolpersteine: Keller-Sutters Wahl wird immer wahrscheinlicher. Am Donnerstag kündigten zwei politische Schwergewichte der FDP an, nicht zu kandidieren, und stellten sich mehr oder weniger deutlich hinter Keller-Sutter. Der Bündner FDP-Ständerat Martin Schmid liess in einer Stellungnahme Interesse am «hohen Amt» durchblicken, begründete seinen Verzicht aber mit dem Wunsch seiner Fraktion, «dass eine freisinnige Frau im Bundesrat nachfolgen soll».
Ständerat Ruedi Noser (FDP/ZH) kündigte seinen Verzicht auf Twitter an: «Habe mich über die häufige Nennung gefreut, die Zeit ist jetzt aber reif für die zweite FDP-Bundesrätin», schrieb er. Noch nicht festgelegt hat sich die Zürcher FDP-Nationalrätin Regine Sauter. Sie will nächste Woche entscheiden, ob sie antritt. Ebenfalls ausstehend ist der Entscheid des Nidwaldner FDP-Ständerats Hans Wicki.