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Am Samstag wurde die 24-jährige Baselbieterin Ronja Jansen in Trimbach mit einer Stimme mehr als Rivalin Mia Jenni zur neuen Juso-Präsidentin gewählt. Im Interview erklärt sie, wie sich ihr Leben jetzt ändern wird und welche politischen Ziele sie sich setzt.
Furchtlos und mit Selbstvertrauen will die 24-jährige Frenkendörferin Ronja Jansen das Amt der Juso-Präsidentin ausüben. Vor Anfeindungen durch Hater und Trolle im Internet habe sie keine Angst, verkündete sie schon vor ihrer Wahl am Samstag. Und auch der provokanten Art ihrer Vorgängerin Tamara Funiciello werde sie in nichts nachstehen. Ronja Jansens Ziel: Die Juso soll nichts von ihrer Angriffslust einbüssen und weiterhin einen betont antikapitalistischen und feministischen Kurs fahren.
Herzlichen Glückwunsch zur Wahl. Wie lange haben Sie in Bern gefeiert?
Ronja Jansen: Ich bin gegen drei Uhr nachts nach Hause gegangen. Die Stimmung am Fest war super.
Sind Sie bereits nach Bern umgezogen? Das würde bei künftigen Festen helfen.
Ich wohne immer noch zu Hause in Frenkendorf, werde mich jetzt aber in den nächsten Tagen in Bern auf die Suche nach einem Zimmer begeben.
Wie wird sich Ihr gewohntes Leben sonst noch ändern?
Das Juso-Präsidium ist mit einer 70-Prozent-Stelle dotiert. Da wird mir nicht viel Zeit für anderes übrig bleiben. Mein Soziologie- und Wirtschafts-Studium an der Uni Basel muss ich darum ebenso vorerst auf Eis legen wie die Sekretariatsstelle bei der Gruppe für eine Schweiz ohne Armee.
Wie viel verdient man als Juso-Präsidentin?
Einige wenige tausend Franken, es reicht, um sich durchzuschlagen.
In ersten Kommentaren wurde Ihr knappes Wahlergebnis als Starthandicap bezeichnet. Ihre Kandidatur und diejenige Ihrer Aargauer Rivalin Mia Jenni haben die Partei gespalten.
Das denke ich nicht. Das 91:90-Ergebnis war vielmehr Ausdruck davon, dass zwei fähige Kandidatinnen zur Wahl standen. Es bringt nichts, über die Knappheit des Resultats nachzudenken. Im ersten Wahlgang lag ich mit neun Stimmen Vorsprung in Führung. Viele Menschen konnten sich nur schwer entscheiden. Ich habe im Nachgang zu meiner Wahl aber keinerlei schlechte Stimmung oder Vorbehalte gegenüber meiner Person bemerkt. Eine Spaltung ist für die Partei kein Thema.
Gab es am Parteitag einem entscheidenden Moment, an dem Sie dachten «So, jetzt reicht es»?
Eigentlich nicht. Ich wusste bis zum letzten Moment nicht, ob es reicht. Als das Schlussresultat feststand, war ich einfach nur überwältigt.
Böse Stimmen besagen, zwei angriffige Auftritte in der «Arena» von SRF hätten für Ihre Wahl gereicht.
Die «Arena» war eine tolle Erfahrung, aber bestimmt nicht ausschlaggebend für meine Wahl.
Sondern?
Das ist für mich schwierig zu analysieren. Am Ende hat meine Vision für die Juso die Delegierten überzeugt. Meine Wahl war das Ergebnis von fünf Jahren gewissenhafter Vorarbeit. Meine politische Erfahrung durch viele Jahre Basisarbeit und meine Positionen waren offenbar gute Argumente, um mich zu wählen.
Sie haben bereits an der ausserordentlichen Mitgliederversammlung am Samstag angekündigt, dass sie an vorderster Front für die «Demokratisierung der Wirtschaft» kämpfen wollen. Angestellte müssten bei den Entscheidungen der Unternehmen stärker einbezogen werden. Wie kommen Sie darauf?
Es wird jetzt eine unserer wichtigsten Aufgaben sein aufzuzeigen, dass die Klimakatastrophe das Resultat eines Wirtschaftssystems ist, das nicht das Wohl der Menschheit zum Ziel hat, sondern bloss den Interessen des reichsten Prozents der Weltbevölkerung dient. Ich will darum auch die Kampagne für die 99%-Initiative anführen, die Kapitaleinkommen über einem bestimmten Freibetrag stärker besteuern will als das Arbeitseinkommen.
Wann und wo werden Sie erstmals in Ihrer neuen Funktion auftreten?
Da steht noch nicht fest. Ich muss nun zuerst in meiner neuen Rolle ankommen, dazu ist eine sorgfältige Einarbeitung ins Amt wichtig. Ich werde in den nächsten Tagen viel Zeit mit Tamara Funiciello verbringen, ihre Dossiers übernehmen und viele Gespräche führen.
Welches ist die grösste Gefahr, die auf eine neue Juso-Präsidentin lauert?
Es ist wichtig, seinen eigenen Zugang zum Amt zu finden und nicht zu versuchen, irgendjemandem nachzueifern. Ausserdem sollte man sich auch genug Zeit nehmen, um neben dem Amt abzuschalten.
Welches ist der grösste Fehler, den eine neue Juso-Präsidentin begehen kann?
Das kann ich nicht beantworten. Ich will unsere Positionen auch weiterhin provokativ in die Öffentlichkeit tragen und mit der Juso für eine feministischere, ökologischere Welt für die 99 % kämpfen. Da darf man keine Angst haben auch mal anzuecken.
War Ihr Sieg auch einer für das politische Baselbiet? Die Nichtwahl von Elisabeth Schneider-Schneiter in den Bundesrat hat das Selbstbewusstsein von Nordwestschweizer Politikerinnen und Politikern nicht gerade gefördert.
Ich habe im Vorfeld der Wahl zwar sehr viel Zuspruch aus dem Baselbiet erhalten, aber es ging mir jetzt nicht darum zu beweisen, dass auch Nordwestschweizer Politikerinnen in hohe Ämter gewählt werden können. Mein Antrieb war vor allem, Präsidentin der Juso zu werden, um so künftig meine Ideen und Ziele durchzusetzen. Dabei werde ich das Baselbiet genau gleich behandeln wie alle anderen Kantone.
Für Ihren Vorvorgänger Fabian Molina war das Juso-Präsidium Sprungbrett in den Nationalrat. Denkbar auch für Sie?
Der Nationalrat ist das letzte, was ich momentan im Kopf habe, angesichts der vielen neuen Aufgaben als Präsidentin.
Welche Gratulation hat sie nach Ihrer Wahl am meisten gefreut oder überrascht?
Meine Mutter ist extra nach Solothurn gefahren, um mich nach meiner Wahl in den Arm zu schliessen. Das war sehr rührend. Während der Wahl hielt sie Nils Jocher mit einem privaten Live-Ticker auf dem Laufenden.
Hat Ihnen das offizielle Baselbiet zu Ihrer Wahl gratuliert? Die Regierung oder die Landeskanzlei?
Bisher noch nicht. Die Regierung ist ja noch nicht in Juso-Hand (lacht). Aber SP-Regierungsrätin Kathrin Schweizer hat mir persönliche Glückwünsche geschickt.