Die Freunde sitzen ganz rechts

In einer gehässigen Debatte im EU-Parlament über die Folgen der Einwanderungs-Initiative übertönten die extremen Voten die differenzierteren Stimmen. Ein Lega-Abgeordneter drängte sich mit einer Schweizer Fahne ans Rednerpult.

Marianne Truttmann
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Nicht nur Lega-Mitglied Lorenzo Fontana machte gestern im Europaparlament in Strassburg als Fahnenträger auf sich aufmerksam. (Bild: epa/Patrick Seeger)

Nicht nur Lega-Mitglied Lorenzo Fontana machte gestern im Europaparlament in Strassburg als Fahnenträger auf sich aufmerksam. (Bild: epa/Patrick Seeger)

STRASSBURG/BRÜSSEL. Eine kurzfristig anberaumte Debatte des EU-Parlaments über die Beziehungen zwischen der EU und der Schweiz ist gestern ziemlich entgleist. Was weniger mit dem Schweizer Abstimmungsvotum als mit den EU-internen Kämpfen vor den anstehenden Parlamentswahlen zu tun gehabt haben dürfte. Bereits beim Eingangsvotum von Beschäftigungskommissar Laszlo Andor drängte sich der italienische Abgeordnete Mario Borghezio von der Liga Nord mit einer Schweizer Fahne, wild gestikulierend sowie «Es reicht mit der europäischen Diktatur» und «Svizzera libera» schreiend vor das Rednerpult. Der Plenumspräsident verwies ihn aus dem Saal, was bei seinen rechten Parteigenossen Missfallen auslöste. Borghezio, der am rechten Rand der Lega Nord politisiert, ist unter anderem bekannt dafür, dass er die Ideen des norwegischen Attentäters Breivik lobte, in Turin Zelte von unter einer Brücke schlafenden Obdachlosen anzündete und von der Polizei in Graubünden 2011 verhaftet und temporär aus dem Kanton ausgewiesen wurde, weil er an die Bilderberg-Tagung im Suvretta-Haus in St. Moritz eindringen wollte.

«Auf den Knien zu uns»

An der kurzen Debatte, an der nur je ein Vertreter oder eine Vertreterin jeder Fraktion sprechen konnte, sorgte der Grüne Daniel Cohn-Bendit für weitere Aggressivität. So behauptete er, dass das Abstimmungsvotum dazu führe, dass die Schweiz nun wieder so dastehe wie vor Abschluss der bilateralen Verträge. Aufgrund der starken wirtschaftlichen Verflechtung würden die Schweizer «auf Knien zu uns kommen und sehen, dass sie Europa einfach brauchen», schrie der französische Abgeordnete. Zwischenrufe aus der ultrarechten Ecke quittierte er mit Ausdrücken wie <crétins» und «idiots», was ihm einen Verweis des Plenumspräsidenten eintrug.

Der Präsident der sozialdemokratischen Fraktion, Hannes Swoboda, wunderte sich, dass sich EU-Parlamentarier darüber freuen könnten, dass Personen aus der EU vom Schweizer Arbeitsmarkt ausgeschlossen werden können. Der Österreicher verwies ferner darauf, dass die Schweiz «unser Geld will, zur Steuerflucht verhilft, aber unsere Arbeitnehmer nicht akzeptiert».

Sowohl der stellvertretende griechische Aussenminister Kourkoulas Dimitrios als Vertreter des Rates und Kommissar Andor wie auch die Mehrzahl der Fraktionssprecher wiederholten nüchtern die bekannte EU-Position, wonach die Personenfreizügigkeit nicht von den anderen Freiheiten im Binnenmarkt getrennt werden kann. An einer Anwendung der Guillotineklausel habe allerdings niemand Interesse, sagte Andor. Er hoffe, dass die Schweiz in einem Jahr die «Quadratur des Kreises» schaffe und die Beziehungen zur EU genauso freundschaftlich sein werden wie vor der Abstimmung.

Deutliche Botschaft senden

Als Vertreterin der Konservativen betonte Mairead McGuinness, dass die Schweiz nicht erwarten könne, dass sich die «EU als Partner beugt», da Quoten nicht mit der Personenfreizügigkeit vereinbar seien. Die Irin verwies ferner darauf, dass einige Unternehmen planten, ihren Firmensitz aus der Schweiz abzuziehen. Der Liberale Pat Gallagher, der die für die Beziehungen mit der Schweiz zuständige Parlamentsdelegation präsidiert, zeigte sich enttäuscht von der Schweiz und zitierte die CS-Studie, wonach nun 80 000 Arbeitsplätze weniger geschaffen werden. Die EU wolle keine Vergeltung, aber eine deutliche Botschaft. Die Aktion des Lega-Abgeordneten bezeichnete der Ire als «nicht sehr hilfreich». Neben den lauten, teils extremen oder selbstgerechten Stimmen gingen die differenzierteren Voten in der Debatte unter. So verwies die britische Konservative Jacqueline Foster darauf, dass man bei der Einwanderungsdebatte stärker auf die Menschen in den betroffenen Quartieren hören sollte.

Die italienische Lega-Abgeordnete, Mara Bizzotto, meinte, dass angesichts der hohen Arbeitslosenzahl in Italien eine Abstimmung in ihrem Land ähnlich ausgehen würde.