Als FDP-Präsidentin Petra Gössi am Freitag zur Medienkonferenz lud, tat sie dies in einer Holzbaufirma, die sich dem klimafreundlichen Unternehmertum verschrieben hat. Die Botschaft lag auf der Hand: Die Umwelt und die FDP, die können miteinander.
Einen anderen Eindruck hatte man in den vergangenen Wochen erhalten. Mit Gössis Plan, die FDP grüner zu machen, lief vieles schief. Zuerst gab es Kritik am Entscheid, eine Klima-Umfrage bei allen 120000 Mitgliedern durchzuführen. Dann gerieten die vertraulichen Resultate der Umfrage in die Medien. Diese Woche schliesslich wurde der Entwurf des Klimapapiers publik. Die FDP hinterliess einen konfusen Eindruck. Eine Flugticketabgabe, die Abschaffung des Pendlerabzugs, Fahrverbote für Innenstädte: Viele glaubten, die FDP nicht mehr wiederzuerkennen. CVP-Präsident Gerhard Pfister höhnte, die FDP sei über Nacht plötzlich «grün und regulierungswütig» geworden.
Gössi war am Freitag darauf bedacht, den Vorwurf der Regulierungswut zu ersticken. «Die FDP macht keine Kehrtwende», sagte sie. «Wir deklinieren Umwelt- und Klimapolitik freisinnig und liberal durch. Es sind mitnichten Verbote, die zum Erfolg führen.» Gössi war anzuhören, dass sie über den Verlauf der öffentlichen Debatte nicht glücklich ist. «Es ist destruktiv, feige und vor allem auch dumm, mit vorsätzlichen Leaks Schaden anrichten zu wollen», griff sie die parteiinternen Kritiker der ökologischen Neuorientierung der FDP an. Was die Partei dann präsentierte, dürfte indes ganz nach dem Geschmack dieser Kritiker sein. Denn: Wirklich grüner wird die FDP mit diesen Vorschlägen nicht.
Auf eine Flugticketabgabe verzichtet die Partei. Diese sei in der Arbeitsgruppe zwar emotional und leidenschaftlich diskutiert worden, sagte der Genfer FDP-Nationalrat Benoît Genecand. Sie sei aber vor allem Symbolpolitik. Einzig in internationaler Abstimmung will die FDP eine Flugabgabe einführen. Nicht mehr im Papier figuriert weiter die Abschaffung des Pendlerabzugs. Dieser Schritt hätte die Mobilität verteuert und damit dem Klima geholfen.
Auch zum Inlandziel beim CO2-Gesetz äussert sich das Papier nicht. Im Parlament war die Vorlage zur Erfüllung des Pariser Klimaübereinkommens an dieser Frage gescheitert, weil die FDP die Treibhausgase vorwiegend im Ausland kompensieren wollte. Dass dieser Punkt nun im Papier fehlt, überrascht, hatte Gössi in einem Interview doch eine Umkehr angekündigt. Am Freitag sagte sie, ein Inlandziel für die CO2-Reduktion sei Sache des Parlaments und passe nicht in ein Positionspapier.
Der Präsident der Grünliberalen Jürg Grossen begrüsst das Interesse der FDP an Klimafragen. Gleichzeitig bedauert er den Verzicht auf einschneidende Massnahmen. «Die FDP hat offenbar Angst vor ihrem eigenen Mut erhalten und krebst nun zurück», sagt Grossen. In der Umfrage hatten sich 73 Prozent der FDP-Mitglieder für eine Flugticketsteuer ausgesprochen. 60 Prozent wollten das CO2 mehrheitlich im Inland kompensieren, und 62 Prozent forderten gar den Ausstieg aus fossilen Energien bis 2050. «Ich habe nicht den Eindruck, dass die FDP mit diesem Papier ihre Basis ernst nimmt», sagt Grossen. Zumindest ein Punkt des Papiers lässt allerdings aufhorchen. Die FDP spricht sich im Grundsatz für eine Treibstoffabgabe aus. Dies ist erstaunlich, hat die Abstimmung zur Preiserhöhung der Vignette doch gezeigt, dass Autofahrer empfindlich auf höhere Abgaben reagieren. Dementsprechend vorsichtig ist der Wortlaut im Papier. Die Abgabe müsse das Preisniveau des Auslands berücksichtigen, sie solle stufenweise erfolgen, und sie sei «in ein Gesamtkonzept einzubetten, das auch die regional unterschiedlichen Abhängigkeiten vom Individualverkehr berücksichtigt».
Die ökologischen Ambitionen der FDP sind darauf zurückzuführen, dass im Herbst Wahlen sind und die Partei unter dem Eindruck der Klimabewegung umweltbewusste Wähler an die Grünliberalen zu verlieren droht. Grossen sagt: «Bis jetzt hat die FDP einzig Papiere produziert. Den Tatbeweis, ökologischer zu politisieren, muss die Partei erst noch liefern.» Zunächst gilt es allerdings noch das Positionspapier zu verabschieden. Am 22. Juni treffen sich die Delegierten dafür in Zürich. Gut möglich, dass es erneut hoch zu und her gehen wird.