Die Familie bleibt ein Politikum

Die SVP ist gestern mit ihrer Familien-Initiative gescheitert. Ob sie die zwei anstehenden Volksbegehren der CVP unterstützt, ist fraglich. Das politische Seilziehen um die Familienpolitik geht weiter.

Eveline Rutz
Drucken

BERN. Von steuerlichen Privilegien für traditionelle Einverdiener-Familien halten die Stimmberechtigten nicht viel. 58,5 Prozent haben der Familien-Initiative der SVP gestern eine Abfuhr erteilt. Besonders deutlich fiel das Nein in der Waadt (66,8 Prozent), in Genf (66,2 Prozent), Basel-Stadt (65,7 Prozent), Neuenburg (62,9 Prozent) und Zürich (61 Prozent) aus. Ja sagten nur drei Kantone (Text unten). Das knappste Resultat verzeichnete der Thurgau: Er lehnte die Vorlage mit 51,7 Prozent Nein-Stimmen ab.

An drei Fronten gekämpft

In der SVP ist die Enttäuschung gross. «Wir wollten die Diskriminierung jener Eltern abschaffen, die ihre Kinder selber betreuen», sagt die Luzerner Nationalrätin Yvette Estermann. Dies sei leider nicht gelungen. Die Partei hätte in ihrer Kampagne mehr Akzente setzen können, räumt sie ein. Sie sei jedoch gleich an drei Fronten gefordert gewesen: Auch gegen die 1:12-Initiative und die Erhöhung der Autobahn-Vignette habe sie sich stark engagiert. Sie ist zudem lediglich von der EVP unterstützt worden.

Erleichtert reagieren die Gegner des Volksbegehrens. «Das Stimmvolk hat den Etikettenschwindel durchschaut», freut sich FDP-Nationalrat Andrea Caroni (AR). Es habe sich offensichtlich in die komplexe Materie des Steuerrechts vertieft und die richtigen Schlüsse gezogen. Yvonne Feri (SP/AG) führt das deutliche Nein darauf zurück, dass nur eine Minderheit profitiert hätte. «Hinzukam die Befürchtung, dass bei der Umsetzung der Abzug für die Fremdbetreuung abgeschafft würde.»

Die urbanen Stimmbürger hätten sich daran gestört, dass verschiedene Familienmodelle gegeneinander ausgespielt worden seien, vermutet Babette Sigg, Präsidentin der CVP Frauen Schweiz. In ländlichen Gebieten sei wohl eher der Kostenfaktor ausschlaggebend gewesen.

Auf eigene Projekte fokussiert

In der CVP hatte die Vorlage grosse Meinungsverschiedenheiten ausgelöst. Während die Parteispitze für das Anliegen war, sprachen sich die Frauen und letztlich auch die Delegierten dann dagegen aus. «Wir werden jetzt wieder am gleichen Strick ziehen», ist sich Frauen-Präsidentin Sigg sicher und erwähnt die eigenen Projekte «Steuerfreie Kinder- und Ausbildungszulagen» sowie «Für Ehe und Familie – gegen die Heiratsstrafe». Diese Initiativen schafften Verbesserungen für alle Familien.

Dass die SVP die Anliegen unterstützen wird, glaubt Sigg allerdings nicht. Sie habe im März ja bereits den Familienartikel abgelehnt und nun in erster Linie versucht, das traditionelle Familienbild zu zementieren. Glanzmann stellt indes klar: «Wenn die SVP etwas für Familien tun will, muss sie unsere Initiativen unterstützen.»

Unterschiedliche Signale

SVP-Nationalrätin Estermann beurteilt die Vorlagen grundsätzlich positiv, während andere Partei-Exponenten gestern bereits mit einer Retourkutsche drohten. «Rache wäre sicher fehl am Platz», sagt Estermann. Letztlich zähle der Inhalt einer Vorlage. Persönlich werde sie sich für die Initiativen engagieren. FDP-Vertreter Caroni beurteilt die CVP-Initiativen hingegen kritisch. Er plädiert zudem dafür, jetzt fair zu bleiben und nicht nach weiteren Subventionen zu rufen. So ist er etwa dagegen, dass die Finanzhilfe des Bundes für Krippenplätze verlängert wird. Anders sieht dies SP-Nationalrätin Feri. Sie fordert ein flächendeckendes Krippenangebot sowie mehr Anstrengungen, um die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu verbessern. Sie setzt sich für einen Elternurlaub und abgestufte familienergänzende Zusatzleistungen ein. «Wir müssen von der Pflästerlipolitik wegkommen und endlich eine Gesamtschau machen.»

Das Schmunzeln einer Abstimmungssiegerin: Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sieht das Nein des Stimmvolks als Bestätigung der heutigen Familienbesteuerung. (Bild: freshfocus/Urs Lindt)

Das Schmunzeln einer Abstimmungssiegerin: Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf sieht das Nein des Stimmvolks als Bestätigung der heutigen Familienbesteuerung. (Bild: freshfocus/Urs Lindt)