Die Post wirbt in ihrer Kundenzeitschrift offensiv gegen die Initiative «Pro Service Public». Dies sei rechtlich heikel, sagen Juristen. Kritik gibt es auch von Seiten der Initianten, sie wollen aber auf eine Beschwerde verzichten.
«Die Schweiz funktioniert», verkündet die schweizerische Post auf der Frontseite ihres Kundenmagazins, das Anfang Woche an knapp zwei Millionen Haushalte verschickt wurde. Was sie uns damit sagen will: Das System der öffentlichen Grundversorgung hat sich hierzulande bewährt, weshalb es keine Änderungen braucht – insbesondere nicht jene, welche die Initiative «Pro Service Public» anstrebt. Das von Konsumentenzeitschriften lancierte Begehren will Unternehmen mit gesetzlichem Auftrag für die Grundversorgung wie die Post dazu verpflichten, in diesem Bereich nicht nach Gewinn zu streben. Zudem sollen die Löhne auf das Niveau der Bundesverwaltung begrenzt werden.
Das Post-Kundenmagazin widmet der Initiative vier Seiten. Drei davon umfasst ein Interview mit den Co-Präsidenten des Nein-Komitees, Reto Lindegger vom Gemeindeverband und Thomas Egger von der Arbeitsgemeinschaft für die Berggebiete. Die beiden erklären, weshalb die Initiative abzulehnen sei. Dazu werden in einem Kasten die Leistungen von Post («Spitzenwerte in Sachen Qualität»), SBB («pünktlichste Bahn Europas») und Swisscom («höchste garantierte Internetgeschwindigkeit») gepriesen. Schliesslich werden auf einer Seite weitere Vertreter der Initiativgegner zitiert. Die Befürworter kommen nicht zu Wort. Einzig ein kleiner Kastentext weist auf die Ziele der Initiative hin, darunter findet sich ein Link zur Webseite des Initiativkomitees.
Grundsätzlich ist es der Post untersagt, sich in Abstimmungskämpfe einzumischen. Als staatliches Unternehmen ist sie zur Neutralität verpflichtet, die auch für staatliche Behörden gilt. Allerdings gilt diese Pflicht laut Rechtsprechung des Bundesgerichts nicht absolut: Ist ein Unternehmen von einer Vorlage «in besonderer Weise betroffen», darf es – wie jedes private Unternehmen – seine Position kundtun. Selbst dann ist es jedoch zur «Zurückhaltung» verpflichtet und muss sich an die Grundsätze der Sachlichkeit, der Transparenz und der Verhältnismässigkeit halten.
Diesbezüglich sei das Kundenmagazin der Post «rechtlich an der Grenze», sagt Regula Kägi-Diener auf Anfrage. Die Anwältin ist auf Staats- und Verwaltungsrecht spezialisiert. «Ausgewogen ist anders», findet Kägi-Diener. Ob sich die Post damit noch im juristisch zulässigen Bereich befinde, sei aber schwierig zu sagen.
Für Andreas Glaser, Professor für öffentliches Recht an der Universität Zürich, ist der Fall indes klar: «Hier wird die Abstimmungsfreiheit verletzt.» Im Interview würden Behauptungen gemacht, die nicht belegt seien, und die Argumente der Gegenseite kämen überhaupt nicht vor. «So etwas habe ich in dieser Einseitigkeit noch nie erlebt.»
Die Befürworter der Initiative stimmen in die Kritik ein. «Es ist bedenklich, wenn ein Staatsbetrieb in eigener Sache mit unserem Kundengeld einen Abstimmungskampf so massiv beeinflusst», sagt Peter Salvisberg vom Initiativkomitee.
Die Post sieht hingegen kein Problem. Die Firma beteilige sich nicht aktiv an der Abstimmungskampagne, betont Mediensprecherin Jacqueline Bühlmann. «Sie ist von der Initiative jedoch direkt betroffen und informiert deshalb die Öffentlichkeit über die Folgen, die eine Annahme für sie als Unternehmen und den von ihr erbrachten Service public hätte.»
Die Befürworter könnten, falls sie die Abstimmungsfreiheit verletzt sehen, eine Stimmrechtsbeschwerde einreichen. Das hatten vor zwei Jahren bereits die Befürworter der Einheitskassen-Initiative getan. Sie monierten, dass gewisse Krankenkassen – die ebenfalls einen öffentlichen Auftrag haben – im Abstimmungskampf einseitig informiert hätten. Das Bundesgericht wies die Beschwerden jedoch ab.
Andreas Glaser ist überzeugt, dass eine Stimmrechtsbeschwerde im vorliegenden Fall «beste Chancen» hätte. Die Befürworter verzichten jedoch vorerst darauf, rechtliche Mittel zu ergreifen. Das Stimmvolk gebe hoffentlich die richtige Antwort und «straft die Schummelei ab», sagt Peter Salvisberg.