Der neue Arzt ist Apotheker

Anstatt sich die Impfung beim Arzt machen zu lassen, soll das neu auch der Apotheker können – ohne Aufpreis für Patienten. Die Änderung hat allerdings einen Haken.

Anna Wanner
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Apotheker verdienen nur, wenn sie Medikamente verkaufen, nicht wenn sie welche einsparen. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Apotheker verdienen nur, wenn sie Medikamente verkaufen, nicht wenn sie welche einsparen. (KEYSTONE/Gaetan Bally)

Muss ein Heimpatient operiert werden, erhält er häufig Medikamente, die sich teils nicht mit ­jenen vertragen, die der Patient vom Hausarzt verschrieben bekommen hat. Nun gibt es Heime, wo dieser Pillenmix von einem Apotheker kontrolliert wird. Das Problem: In fast keinem Kanton wird diese Leistung vergütet. Apotheker verdienen nur, wenn sie Medikamente verkaufen, nicht wenn sie welche einsparen.

Geht es nach dem Ständerat, soll sich das ändern. Apotheker sollen ihre Leistungen aus der Grundversicherung vergütet erhalten, wenn sie während einer Behandlung keine Medikamente abgeben. Den Vorstoss von CVP-Ständerat Erich Ettlin (OW) hat der Rat ohne Gegenstimme gutgeheissen. Gerade Apotheker könnten Leistungen effizient und günstig erbringen, so der Tenor.

Freiburger Modell spart Millionen

Als Beispiel dient das Freiburger Modell, wo sich Heime für den Medikamentenkauf zusammenschlossen, um Geld zu sparen. In jedem Heim amtet zudem ein Apotheker, der die Kompatibilität der Medikamente überprüft. Indem er Originalpräparate mit günstigeren Generika ersetzt und unnötige Medikamente absetzt, sparen die Heime zusätzlich. Laut CVP-Ständerat Beat Vonlanthen (FR) konnten so jährlich etwa 4 Millionen Franken gespart werden. Eigentlich sollten deshalb auch die Krankenkassen ein Interesse daran haben, das Modell schweizweit einzuführen. Nur stellten die Versicherer fest, dass es nicht gesetzeskonform ist. Weil sich Heime und Versicherer trotz Vermittlerrolle der Freiburger Regierung nicht auf eine Lösung einigen konnten, müssen die Heime ihr System umstellen.

Für Vonlanthen ist die angestrebte Gesetzesänderung der Befreiungsschlag: «Das kostensparende Modell ist so in Zukunft auch andernorts leicht anwendbar.» Die Heime sind freilich nur ein Beispiel, wie Apotheker ihre Dienste ausbauen können. Ein weiteres Beispiel sind Impfungen. Der Neuenburger Ständerat Didier Berberat (SP) erklärte, dass ein Patient die Impfung nur vergütet erhält, wenn sie von einem Arzt verschrieben wird. Bei einer einzelnen Impfung, die 30 bis 45 Franken koste, sei das kein Problem für den Apotheker. «Gesunde Leute können das auch aus der Tasche zahlen, da es sowieso nicht der Franchise unterliegt.» Brauche der Patient hingegen teurere Impfungen, dann gehe er zum Arzt, weil die Kosten von der Kasse übernommen werden. Dabei, so Berberat, würden Apotheken gerade Kunden ansprechen, die sonst nicht zum Arzt gehen. «Sie stehen nicht mal in der Konkurrenz zu den Ärzten.»

Angst vor Leistungsausbau

Mit der Änderung eröffnet das Gesetz allerdings auch neuen Personen die Möglichkeit, über die Krankenkasse abzurechnen, wie Gesundheitsminister Alain Berset sagte. Da müsse man vorsichtig sein. Identische Forderungen stellen Psychologen und Pflegefachleute. «Je mehr Leistungserbringer wir zulassen, desto grösser ist das Risiko, dass die Kosten steigen.» Trotzdem will der Bundesrat die Idee nun prüfen. Entschieden dagegen stellt sich Verena Nold, Direktorin des Versicherungsverbands Santésuisse: Diese Änderung löse nur zusätzliche Kosten aus. «Jeder neue Leistungserbringer, der über die obligatorische Krankenversicherung abrechnen kann, ersetzt nicht bestehende Leistungen, sondern ergänzt sie», sagt sie. Ob Ettlins Vorstoss die Debatte im Nationalrat übersteht, ist daher zu bezweifeln.