Bei den gestrigen Bundesratswahlen sind Überraschungen ausgeblieben. Mit Guy Parmelin setzte sich der Favorit durch. Die beiden anderen offiziellen SVP-Kandidaten, Thomas Aeschi und Norman Gobbi, blieben chancenlos. Störmanöver aus dem Mitte-Links-Lager blieben aus.
Um kurz vor 12 Uhr am gestrigen Mittwoch kann der Berner Politbetrieb wieder zur Normalität zurückkehren. «Gewählt ist mit 138 Stimmen: Guy Parmelin.» Mit diesen Worten von Nationalratspräsidentin Christa Markwalder finden zum einen das Werweissen und die Spekulationen um mögliche und unmögliche Bundesratskandidaten ein Ende. Zum anderen endet gestern kurz vor Mittag eine Episode, die im Dezember 2007 mit der Nichtwiederwahl Christoph Blochers ihren Anfang nahm. Die SVP entschied sich damals zunächst für den Gang in die Opposition, um im Folgejahr mit Ueli Maurer in die Landesregierung zurückzukehren.
Gestern erhielt die wählerstärkste Partei nun wieder das, was sie lange gefordert hatte: Einen zweiten Bundesrat. Einen Bundesrat – und das ist für die Rückkehr zur Normalität entscheidend – den sie selber zur Wahl empfohlen hat.
Die Entscheidung über die Nachfolge von BDP-Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf gleicht zu keinem Zeitpunkt dem herbeigeschriebenen Krimi. Nur der Ablauf des Wahlprozederes sorgt dafür, dass die Spannung während einiger Stunden anhält.
Nachdem die 199 Nationalräte (Urs Gasche von der BDP fehlte aus gesundheitlichen Gründen) und 46 Ständeräte um 8 Uhr im Nationalratssaal Platz genommen haben, steht zuerst die Würdigung von Widmer-Schlumpf auf dem Programm. Nationalratspräsidentin Markwalder spricht von einer «bemerkenswert guten Bundesrätin», die Gelobte selber hebt den Wert von politischen Kompromissen hervor: «Sie sind etwas typisch Schweizerisches.» Es folgen stehende Ovationen. Selbst die rechte Ratshälfte applaudiert, wenn auch verhalten. SVP-Präsident Toni Brunner ist dann der erste, der sich wieder auf seinen Stuhl setzt.
Die anschliessende Wiederwahl der bisherigen Bundesräte verläuft wie erwartet ohne jede Überraschung. Von Interesse ist am ehesten noch die Frage, wer sich über das beste Wahlresultat freuen kann. Es ist Aussenminister Didier Burkhalter (FDP), der 217 Stimmen auf sich vereint – das beste Ergebnis seit 1971. Auch CVP-Bundesrätin Doris Leuthard erzielt mit 215 Stimmen ein Glanzresultat.
Bei der Wiederwahl von SVP-Bundesrat Ueli Maurer entfallen zehn Stimmen auf jenen Namen, der in den Tagen vor der Wahl für die vage Hoffnung des Mitte-Links-Lagers auf einen Überraschungscoup stand: Thomas Hurter. Der Schaffhauser Nationalrat schloss eine allfällige Wahl weniger explizit aus als die anderen möglichen Sprengkandidaten.
Nachdem die Erklärungen der Fraktionspräsidenten keine Überraschungen beinhalten, zeichnet sich aber ab: Der neue Bundesrat kommt aus dem Trio Guy Parmelin, Thomas Aeschi und Norman Gobbi. Der Waadtländer Parmelin schwingt bereits im ersten Wahlgang mit 90 Stimmen obenaus. Viele davon stammen aus dem SP-Lager. Die 56köpfige Fraktion hat frühmorgens beschlossen, ihre Stimmkraft jenem Kandidaten zu geben, der aus der Sicht der Sozialdemokraten «das kleinste Übel» darstellt. Aeschi liegt trotz Zuspruch aus den Reihen der FDP mit 61 Stimmen bereits deutlich hinter Parmelin. Dahinter folgt der Tessiner Gobbi mit 50 Stimmen.
Für eine Randnotiz sorgen jene 16 Parlamentarier, die den Namen von CVP-Nationalrätin Viola Amherd auf ihren Stimmzettel schreiben. Dies auf Initiative der Grünen hin, deren Fraktionschef Balthasar Glättli die Wahl eines SVP-Vertreters zuvor noch einmal ausgeschlossen hatte. «Es ging uns darum, ein Zeichen zu setzen», wird Glättli später vor dem Bundeshaus sagen.
Parmelin, Aeschi, Gobbi. An dieser Reihenfolge ändert sich auch im zweiten Wahlgang nichts, in dem der Romand das absolute Mehr um lediglich drei Stimmen verpasst. Parmelin verzieht keine Miene, bereitet sich aber wohl bereits auf die Erklärung zur Annahme der Wahl vor. Es besteht nun kaum mehr ein Zweifel, dass sich der meistgenannte Favorit durchsetzt. Die Fotografen scharen sich um den Weinbauern und lassen Aeschi links liegen. Der Grüne Bastien Girod gratuliert Parmelin bereits per Kurznachrichtendienst Twitter. Direkt neben Parmelin sitzt der Freiburger Jean-François Rime, der bereits zweimal zum Sprung in die Regierung ansetzte und beide Male scheiterte.
Wenig später ist es amtlich. Parmelin erhält im dritten Wahlgang 138 Stimmen und wird nach zwölf Jahren im Parlament in den Bundesrat gewählt. Die ersten Gratulanten sind Fraktionschef Adrian Amstutz und Parteipräsident Brunner. Als der neu zusammengesetzte Bundesrat vereidigt wird, bleibt der Stuhl des unterlegenen Thomas Aeschi leer. Beim anschliessenden Apéro zeigt sich: Die Wahl von Parmelin vermag wenige wirklich zu begeistern, doch mit ihr leben können fast alle. Die Bundesversammlung hat gestern den kleinsten gemeinsamen Nenner gefunden – es war eine Bundesratswahl, die dem politischen System der Schweiz entspricht.