Frankreich Die Franzosen hängen an ihrem Service public, erheben sie doch sogar den Anspruch, dieses Konzept erfunden zu haben. Dazu gehört auch die Rundfunkabgabe, «contribution à l’audiovisuel public» genannt. Der Betrag wird jährlich an die Entwicklung des Konsumentenpreisindexes angepasst. Er beträgt derzeit jährlich 138 Euro, wobei die Bewohner der französischen Überseegebiete weniger bezahlen müssen.
Erhoben wird die Gebühr zusammen mit der Wohnsteuer, auf einem Formular, das alle Einwohner Frankreichs automatisch erhalten. Die Steuerpflichtigen müssen ankreuzen, ob sie einen Fernseher besitzen und nur in diesem Fall zahlen. Die Abgabe ist alles andere als unumstritten. Die Debatte über Sinn und Unsinn wird seit Jahren geführt. Die Rechte übt dabei Kritik an der politischen Schlagseite der öffentlich-rechtlichen Sender und wirft ihnen vor, sie verwässerten ihren Service-public-Auftrag durch das Schielen auf den kommerziellen Erfolg via billige Unterhaltungssendungen und Action-Spielfilme. Um eine klare Trennung zu erwirken, privatisierte der gaullistische Premierminister Jacques Chirac den grössten französischen Sender TF 1 im Jahre 1987. Nach diesem grossen Knall in der französischen TV-Landschaft schaffte der damalige Staatspräsident Nicolas Sarkozy im Jahr 2009 auf den öffentlich-rechtlichen Sendern von France Télévisions (France 2, 3, 4, 5 und Ô) die Werbung zur Hauptsendezeit nach 20 Uhr ab. Dies wirkte sich für die Sender finanziell doppelt negativ aus: Die Werbeeinnahmen gingen zurück, während die Produktionskosten stiegen. Als Kompensation wurden die Internet-Provider stärker besteuert.
Die Rundfunkabgabe steigt trotzdem regelmässig. Und damit nimmt auch die Kritik zu. Die Abgabe abzuschaffen ist aber in der von Präsident Macron initiierten Reform des audiovisuellen Systems nicht geplant. Die Vorlage dürfte demnächst präsentiert werden. Generell leben die Franzosen derzeit ganz gut mit dem Gleichgewicht aus Privat- und Staatssendern.
Stefan Brändle, Paris