«Das wird Millionen kosten»

Wegweisender Entscheid des Bundesgerichts: Helsana muss die Prämie nach dem Tod einer versicherten Person an die Erben zurückerstatten.

Gerhard Lob
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LOCARNO. Für Giorgio Ghiringhelli, den 62jährigen Ex-Journalisten aus Losone, war der gestrige Donnerstag ein guter Tag. Er konnte vor der sozialrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts in Luzern einen aus seiner Sicht historischen Sieg gegen die Krankenkasse Helsana verbuchen. Drei der fünf Richter gaben anlässlich einer öffentlichen Sitzung seiner Beschwerde Recht, mit der er sich für die Rückerstattung pro rata des Krankenkassenbeitrags einsetzte, der für seine Mutter über ihren Tod hinaus bezahlt worden war. In der Sache ging es um bescheidene 235 Franken, doch das Urteil wird Präzedenzwirkung haben, gilt es künftig doch für alle Krankenkassen.

Tote erhalten keine Leistungen

Ghiringhellis Mutter Elvira war am 14. Juni 2014 gestorben. Nach dem Tod verlangte Ghiringhelli von der Krankenkasse Helsana, die für die zweite Monatshälfte Juni bezahlte Prämie an ihn als Erben zurückzuerstatten, das heisst 235 Franken in der obligatorischen Grundversicherung und 288 für die Zusatzversicherung. Helsana wies dieses Anliegen ab, weil die Prämien jeweils für den ganzen Monat bezahlt und unteilbar seien. Eine Rückerstattung pro rata sei bei Todesfällen nicht vorgesehen.

Ghiringhelli, der im Tessin die Anti-Burka-Volksinitiative fast im Alleingang durchgeboxt hat, ist jedoch ein hartnäckiger Kopf und kämpft für Prinzipien. Er legte vor dem kantonalen Versicherungsgericht Beschwerde ein. Dabei brachte er das Argument vor, dass eine Krankenkasse nicht Prämien für einen Zeitraum einziehen könne, in dem eine versicherte Person verstorben sei. Denn wer tot sei, könne keine Versicherungsleistungen beziehen. Das kantonale Versicherungsgericht folgte dieser Argumentation nicht.

Ghiringhelli reichte Beschwerde bei der sozialrechtlichen Abteilung des Bundesgerichts ein – landläufig als eidgenössisches Versicherungsgericht bekannt. Helsana hatte mittlerweile die Forderung nach Rückerstattung der halben Monatsprämie für die Zusatzversicherung anerkannt, wohl in der Erkenntnis, dass es sich um eine privatrechtliche Situation handelt. Somit blieb der Streitfall um die Grundversicherung, der gestern in einer öffentlichen Sitzung debattiert wurde.

«Unbefriedigende Situation»

Das Bundesgericht hat nun die Rechtsprechung geändert. 2006 war es noch von der Unteilbarkeit der Monatsprämien für die obligatorische Krankenversicherung ausgegangen. Daran will es nicht mehr festhalten, weil auch im Bereich der privatrechtlichen Versicherungen von Gesetzes wegen der Grundsatz der Teilbarkeit der Prämienzahlungen gilt. Eine unterschiedliche Regelung ergebe eine «unbefriedigende Situation».

Ghiringhelli rechnet damit, dass diese Praxisänderung die Krankenkassen etliche Millionen Franken im Jahr kosten dürfte. Helsana konnte gestern abend auf Anfrage kurzfristig keine Stellungnahme zum Entscheid abgeben.