Diese sieben wollen in den Bundesrat: Alle Kandidaten unter der Lupe

Diese vier CVP- und diese drei FDP-Kandidaten wollen im Dezember in den Bundesrat. Wie ticken sie? Was haben sie bis jetzt geleistet? Wo, wenn nicht in der Schweiz, würden sie am liebsten leben? Die Kandidatinnen und Kandidaten im Check.

Roger Braun
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Die CVP: Ein offenes Rennen

Während in der FDP alle Zeichen auf ­Karin Keller-Sutter stehen, ist das Rennen bei der CVP offen. Die besten Aussichten dürfte Viola Amherd haben. Die Walliser Nationalrätin gilt als zuverlässig, dossiersicher und sachorientiert. Als ehemalige Stadtpräsidentin von Brig bringt sie auch politische Führungs­erfahrung mit. Dass die CVP-Fraktion sie der Bundesversammlung als Kandidatin vorschlägt, ist so gut wie sicher. Schwieriger dürfte es für Amherd im Parlament werden. Links fliegen ihr die Sympathien zu, viele FDP- und SVP-Vertreter erachten sie hingegen als zu wenig bürgerlich. Gemäss Parlamentarier­rating der NZZ politisiert Amherd im linken Drittel der Partei. Dies zeigt sich vor allem in der Gesellschafts- und Sozialpolitik. Amherd will Ehe und Adoption für Homosexuelle öffnen, sie unterstützt einen bezahlten Vaterschaftsurlaub und sie befürwortet Bundesgelder für die ausserfamiliäre Kinderbetreuung.

Bessere Karten im rechtsbürgerlichen Lager hat Ständerat Peter Hegglin. Als ehemaliger Zuger Finanzdirektor ­beackert er Themenfelder, die SVP und FDP näher stehen als Jugendfragen. Hegglin steht dem Sozialstaat kritischer gegenüber und setzt sich für tiefere Staatsausgaben ein. Für ihn ist die ausserfamiliäre Kinderbetreuung keine Bundesaufgabe, auch einen Vaterschaftsurlaub lehnt er ab. Hegglin ist hingegen überzeugter Anhänger des Steuerwettbewerbs; für ihn fliesst heute zu viel Geld von finanzstarken zu finanzschwachen Kantonen. Im Vergleich zu Amherd betont er die Eigenständigkeit der Schweiz und sieht die Einwanderung kritischer. Aufgrund seines politischen Profils hat Hegglin intakte Chancen, Amherd im Parlament zu überflügeln. Der Bundesrat würde damit weiter nach rechts rücken. Ob ihn die CVP-Fraktion der Bundesversammlung vorschlägt, ist indes nicht selbstverständlich. In der CVP ist Hegglin weniger gut abgestützt als Amherd, die länger im Parlament sitzt und viel für die Partei geleistet hat.

Schwierig zu verorten

Um einen Platz neben Amherd buhlen die Baselbieter Nationalrätin Elisabeth Schneider-Schneiter sowie die Urner Regierungsrätin Heidi Z’graggen. Politisch sind die beiden schwieriger zu verorten als Hegglin und Amherd. Schneider-Schneiter ist die wirtschaftsliberalste ­aller vier Kandidaten. Sie ist auch für eine Öffnung der Schweiz und eine ­relativ liberale Einwanderungspolitik. Z’graggen wiederum ist für strenge Einwanderungsregeln und relativ öffnungskritisch. Bei Finanz- und Wirtschaftsfragen ist sie gemässigt. Im Parlament sind die beiden in der Aussenseiterrolle. Gerade Unterstützer von Amherd könnten versucht sein, eine dieser Frauen aufs CVP-Ticket zu nehmen, um damit Hegglin auszubremsen.

Die vier CVP Kandidaten:

Wohnort: Erstfeld, UR
Politische Karriere: Seit 2004 Urner Regierungsrätin. Mitglied des CVP-Parteipräsidiums von 2007–2016
Ausbildung: Primarlehrerin, promovierte Politikwissenschafterin
Wer ist Ihr politisches Vorbild? Staatsdenker und Visionär, alt Ständerat Franz Muheim, national und international unterwegs, dabei durch und durch in Uri verwurzelt geblieben. In welchem Land neben der Schweiz könnten Sie sich gut vorstellen zu leben? Weshalb? Sehnsuchtsorte finden sich höchstens irgendwo am Meer. Wie der Blick vom Berg ermöglicht das Meer den ungestörten Weitblick und damit Inspiration. Was ärgert Sie an der Schweiz? Dass wir uns von unserem Erfolgsmodell der Konkordanz wegbewegen. Für den Erfolg unseres Landes müssen wir uns dafür mit aller Kraft einsetzen. Was essen Sie am liebsten? Schweizer Schokolade (nicht zu viel).

Wohnort: Brig, VS
Politische Karriere: Von 1992 bis 2012 Mitglied der Stadtregierung von Brig-Glis, zuletzt 12 Jahre als Präsidentin. Seit 2005 Nationalrätin und seit 2011 Vizepräsidentin der CVP Bundeshausfraktion.
Ausbildung: Rechtsanwältin, Notarin
Wer ist Ihr politisches Vorbild? Ich habe kein Vorbild, aber es gibt Eigenschaften, die ich bewundere, wie die rhetorische Exaktheit bei Kurt Furgler oder die Schaffenskraft bei Doris Leuthard. In welchem Land neben der Schweiz könnten Sie sich gut vorstellen zu leben? Weshalb? In keinem. Die Natur, die abwechslungsreiche Landschaft auf kleinen Distanzen und die Sicherheit in unserem Land möchte ich mit nichts eintauschen. Was ärgert Sie an der Schweiz? Dass wir uns manchmal selber schlecht machen, statt dankbar zu sein, in einem so stabilen und schönen Land zu leben. Was essen Sie am liebsten? Raclette.

Wohnort: Edlibach, ZG
Politische Karriere: 2 Jahre Gemeinderat, 12 Jahre Zuger Kantonsrat, 13 Jahre Regierungsrat. Seit 2015 Ständerat.
Ausbildung: Landwirt
Wer ist Ihr politisches Vorbild? Zu Beginn meiner politischen Laufbahn war Robert Bisig, damals CVP-Regierungsrat des Kantons Zug, aufgrund seiner seriösen und umsichtigen Arbeit mein Vorbild. In welchem Land neben der Schweiz könnten Sie sich gut vorstellen zu leben? Weshalb? Als Bundesratskandidat denke ich nicht über das Auswandern nach. Was ärgert Sie an der Schweiz? Mir gefällt die Vielseitigkeit der Schweiz, deshalb ärgern mich die zunehmende Zentralisierung und Polarisierung und enger werdende Raumverhältnisse. Was essen Sie am liebsten? Rötel blau mit Buttersauce, Rüebli und Salzkartoffeln und eine Kirschtorte zum Dessert.

Wohnort: Biel-Benken, BL
Politische Karriere: 11 Jahre im Baselbieter Landrat, seit 2010 Nationalrätin. Mitglied des CVP-Präsidiums und Präsidentin der Handelskammer beider Basel.
Ausbildung: Juristin
Wer ist Ihr politisches Vorbild? Dölf Ogi hat unserem Land als Bundesrat viel gegeben. Er hat uns auch im Ausland glänzend repräsentiert. In welchem Land neben der Schweiz könnten Sie sich gut vorstellen zu leben? Weshalb? Die ligurische Küste Italiens ist meine Traumdestination ausserhalb der Schweiz. Unsere Nachbarn sind wichtig für uns, und sie teilen viele unserer Werte. Ich hoffe, dass die Italiener bald wieder auf die Beine kommen. Was ärgert Sie an der Schweiz? Wir haben zu wenig Mut, uns im Ausland und speziell in Brüssel zu behaupten. Was essen Sie am liebsten? Tomatensauce aus frischen Tomaten und ein gutes Glas Rotwein. Die einfachsten Gerichte sind oft die besten. Sie sind authentisch, kostengünstig, und sie sind beliebt bei Jung und Alt.

Vier Kandidaturen für die Nachfolge von Doris Leuthard


FDP: Das Profil ist Nebensache

Kann für sie überhaupt noch etwas schiefgehen? Am Tag, als Johann Schneider-Ammann seinen Rücktritt als Bundesrat bekannt gab, galt Karin KellerSutter bereits als Topfavoritin. Inzwischen ist die Dominanz der St. Galler Ständerätin noch absoluter geworden. Ihr ärgster Widersacher, der in der rechten Ratshälfte hochgeschätzte Bündner Ständerat Martin Schmid, kandidiert nicht. Mit dem Verzicht des St. Galler CVPRegierungsrats Benedikt Würth ist zudem die Gefahr gebannt, dass ihr ein anderer Ostschweizer vor der Sonne steht.

Verblieben sind zwei Konkurrenten für Keller-Sutter: der Nidwaldner Ständerat Hans Wicki sowie der Schaffhauser Regierungsrat Christian Amsler. Beide wurden im Vorfeld nicht als Bundesratskandidaten gehandelt, da sie national kaum in Erscheinung getreten sind. Wicki sagt von sich, er habe einen prall gefüllten Rucksack voller Erfahrungen. Und in der Tat: Als ehemaliger Geschäftsführer eines internationalen Elektrotechnik-Unternehmens bringt er Führungserfahrung aus der Wirtschaft mit; in der Politik trug er Verantwortung als Gemeindepräsident von Hergiswil und Baudirektor in Nidwalden. Nur: In seinen drei Jahren im Bundesparlament ist Wicki kaum aufgefallen. Es gibt Zweifel, ob die kurze Parlamentserfahrung reicht für den Bundesrat. Vor allem aber ist der 54-Jährige Opfer seiner Konkurrenz. Wenn Wicki seinen 40-Liter-Expeditionsrucksack schultert, steht Keller-Sutter mit ihrem 60-Liter-Rucksack bereit. Die St. Gallerin hatte bereits als Regierungsrätin nationale Strahlkraft. Nach sieben Jahren im Bundesparlament gehört sie zu den einflussreichsten Politikerinnen im Land.

Gegenprogramm Amsler

Keller-Sutter politisiert konsequent rechts. Sowohl im Vergleich zu den anderen Bundesratskandidaten wie auch zur FDP-Fraktion steht sie einer Öffnung der Schweiz wie auch der Migration kritischer gegenüber. So lehnte sie zum Beispiel die erleichterte Einbürgerung der dritten Generation ab, – genauso wie Konkurrent Wicki – und bei der Entwicklungshilfe sieht sie Sparpotenzial. Weiter ist sie der Meinung, dass sich die Schweiz vermehrt an ihrer Neutralität orientieren soll. Und doch ist KellerSutter bei der Linken wohlgelitten. SP-Präsident Christian Levrat spricht positiv über sie. Viele auf der linken Seite attestieren ihr, dass sie willens ist, parteiübergreifende Kompromisse zu suchen.

Rein ideologisch gesehen, müsste die Linke eigentlich auf Christian Amsler setzen. Der Schaffhauser Bildungsdirektor weist ein politisches Profil auf, das stärker demjenigen der CVP ähnelt als der FDP. Er sagt denn auch, dass er nicht für eine FDP der Finanzen und der Steuern stehe, sondern für eine FDP der Gesellschafts-, Familien- und Jugendpolitik. Amsler will zum Beispiel deutlich mehr Geld in die Bildung stecken. Untypisch für einen FDP-Vertreter spricht er sich für Bundessubventionen für Krippen wie auch einen bezahlten Vaterschaftsurlaub aus. Und doch: Amsler dürfte in Bern zu unbekannt sein, um eine Mitte-links-Mehrheit auf sich zu vereinen.

Die drei FDP-Kandidaten:

Sämtliche FDP-Kandidaten haben sich entschieden, unseren Fragenkatalog nicht zu beantworten.

Wohnort: Wil, SG
Politische Karriere: 8 Jahre Gemeinderätin in Wil, 4 Jahre Kantonsrätin und 12 Jahre St.Galler Regierungsrätin. Seit 2011 Ständerätin.
Ausbildung: Übersetzerin, Konferenzdolmetscherin

Wohnort: Stetten, SH
Politische Karriere: 9 Jahre Gemeindepräsident, 7 Jahre Kantonsrat und seit 2010 Schaffhauser Regierungsrat. Von 2013 bis 2016 Präsident der Deutschschweizer Erziehungsdirektorenkonferenz.
Ausbildung: Primarlehrer

Wohnort: Hergiswil, NW
Politische Karriere: Zwischen 2000 und 2010 Mitglied des Gemeinderates von Hergiswil – die letzten 4 Jahre als Präsident. 6 Jahre Nidwaldner Regierungsrat. Seit 2015 Ständerat
Ausbildung: Ökonom

Drei Kandidaturen für die Nachfolge von Schneider-Ammann

So geht es weiter

In 40 Tagen wählt die Bundesversammlung die Nachfolger von Doris Leuthard (CVP) und Johann Schneider-Ammann (FDP). Die Kantonalparteien haben ihre Kandidaten nominiert. Diese werden nun eingehend geprüft. Bei der CVP wird ein externes Gremium die persönlichen Verhältnisse der Kandidierenden untersuchen. Die Resultate wird es der Findungskommission vorlegen, und diese wird die CVP-Fraktion informieren. Dann bestimmt die Partei ihre Kandidaten . Bei der FDP werden die Kandidaten von alt Ständerat Felix Gutzwiller (ZH), der ehemaligen Fraktionschefin Gabi Huber (UR) und Nationalrat Philippe Bauer (NE) geprüft. Zudem müssen sich die Kandidaten auf einer Roadshow der Bevölkerung präsentieren. Die FDP-Fraktion bestimmt am 16.November ihr Kandidatenticket. (chm)