Die Polizei soll bei Strafverfahren zu schweren Delikten verschlüsselte E-Mails und Internet-Telefonie wie Skype mit Staats-Trojanern knacken. Diese Bereiche dürften nicht den Kriminellen überlassen werden, sagt Bundesrätin Sommaruga.
BERN. Trojaner sollen in der Schweiz zur Überwachung von verschlüsselten Internet-Telefongesprächen und E-Mails erlaubt sein: Das hat der Bundesrat gestern entschieden. Heute ist die Rechtslage für den Einsatz dieser Spionage-Software umstritten. Der Bund hat sie gleichwohl bereits in vier Fällen eingesetzt, ebenso die Kantone Zürich, Waadt und Freiburg. Die Strafverfolgungsbehörden und die Gerichte stützten sich dabei auf einen Artikel in der neuen Strafprozessordnung. Der Bundesrat hat in der Sache nun einen Richtungsentscheid gefällt; im nächsten Jahr soll das Justizdepartement unter Simonetta Sommaruga einen Gesetzesentwurf vorlegen, zu dem dann auch das Parlament Stellung nimmt.
Die Trojaner genannten Überwachungsprogramme werden heimlich in Computer eingeführt und erlauben den Strafverfolgungsbehörden, den Computer eines Verdächtigen auszuspionieren. Geht es nach dem Willen des Bundesrats, dürfen die Behörden die technischen Möglichkeiten der Trojaner aber nicht voll ausschöpfen. So soll es nicht erlaubt sein, eine Computer-Festplatte zu durchsuchen oder die im Computer eingebauten Mikrophone und Kameras zu manipulieren, um damit ganze Räume zu überwachen. Zudem will Sommaruga den Einsatz von Trojanern auf besonders schwere Delikte beschränken, bei denen auch die verdeckte Ermittlung zulässig ist. Sommaruga sagte gestern, es gehe um Mord, Vergewaltigung, Pädokriminalität oder Entführung, aber nicht um Drohung oder Nötigung. Zudem muss der Einsatz wie bei anderen Überwachungsmassnahmen von einem Staatsanwalt angeordnet und von einem Zwangsmassnahmegericht bestätigt sein. Keinesfalls gehe es um präventive Überwachung, sagte Sommaruga; betroffen seien nur Personen, gegen die ein Strafverfahren läuft.
Gegen den Einsatz von Trojanern gab es in der Vernehmlassung heftige Kritik. Sommaruga versicherte, dass sie die Skepsis der Bevölkerung gegen Überwachungsmassnahmen verstehe und teile. Doch der Bund müsse abwägen zwischen einem Eingriff in die Privatsphäre und der Chance, einen Täter zu finden. «Wir dürfen Skype und verschlüsselte Mails nicht den Kriminellen überlassen.» Mit den traditionellen Methoden liessen sich verschlüsselte Daten nicht überwachen.
Für diese herkömmlichen Methoden hat der Bundesrat gestern nun weitere Pflöcke eingeschlagen. Für die Aufklärung von Straftaten dürfen die Behörden heute nämlich die Mobil- und Festnetztelefone sowie die E-Mails von Verdächtigen überwachen: Das erlaubt die aktuelle Verordnung über die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs. Überwacht wird angesichts der technischen Entwicklung tatsächlich aber bereits mehr. Betroffen sind nicht nur E-Mails, sondern der allgemeine Internetverkehr; zudem werden die Notsuche für vermisste Personen und der Antennensuchlauf eingesetzt. Diese längst angewandte Praxis schreibt der Bundesrat nun explizit in einer revidierten Verordnung fest und setzt sie auf Anfang nächsten Jahres in Kraft. Damit will er «weder Neues schaffen, noch den Geltungsbereich der Massnahmen ausweiten», so Sommaruga.
Gleichzeitig nimmt der Bundesrat die Internetanbieter in die Pflicht. Bislang waren die Behörden laut Sommaruga nämlich dem «Goodwill» der Anbieter ausgeliefert; mit der revidierten Verordnung kann der Bund sie zur Überwachung verpflichten. Allerdings nur die Grossen der Branche, die ihren Kunden einen Zugang zum Internet anbieten, wie etwa die Swisscom. Nicht betroffen sind die Betreiber von privaten Netzen wie Wifi oder Wlan in Hotels, Restaurants oder Bahnhöfen sowie jene, die Chat- und Blogdienste betreiben.
Dass der Bund eine Verordnung revidiert, bevor das Gesetz angepasst ist, ist unüblich. Sommaruga rechtfertigt dies mit der Dringlichkeit. «Wir müssen verhindern, dass es Überwachungslücken gibt, wenn wir etwa ein vermisstes Kind finden wollen.»