BÜRGERRECHT: Föderalisten auf verlorenem Posten

Über Einbürgerungen von Ausländern der dritten Generation soll in Zukunft der Bund entscheiden. Eine Minderheit in der FDP und CVP meint, dass dies weiterhin Sache der Kantone und Gemeinden sein soll.

Tobias Bär
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Der Weg zum Schweizer Pass soll für gewisse Ausländer vereinheitlicht werden. (Bild: Christian Beutler/KEY)

Der Weg zum Schweizer Pass soll für gewisse Ausländer vereinheitlicht werden. (Bild: Christian Beutler/KEY)

Tobias Bär

Das Einbürgerungsrecht ist einer jener Politikbereiche, in denen der Föderalismus besonders ausgeprägt ist. Der Bund gibt zwar Leitlinien vor, unter anderem zur Wohnsitzdauer. Heute kann ein Ausländer nur dann ein Gesuch stellen, wenn er während zwölf Jahren in der Schweiz gelebt hat. Ab 2018 gilt eine Mindestaufenthaltsdauer von zehn Jahren. Jeder Kanton stellt darüber hinaus aber noch eigene Wohnsitzvorschriften auf. Wer sich in Bern einbürgern lassen will, muss seit mindestens zwei Jahren im Kanton leben. In St. Gallen gilt dagegen eine Wohnsitzfrist von acht Jahren. Und in vielen Kantonen können die Gemeinden noch zusätzliche Voraussetzungen für eine Einbürgerung definieren.

«Die Gemeinden sind näher dran»

In Zukunft sollen zumindest für die Ausländer der dritten Generation einheitliche Regeln gelten. Über eine entsprechende Verfassungsänderung entscheidet das Stimmvolk am 12. Februar. Bei einem Ja kann das dazugehörige Gesetz in Kraft treten. Es geht um junge Ausländer, deren Grosseltern in die Schweiz eingewandert und deren Eltern hier aufgewachsen sind. Ihre Einbürgerung fiele neu in die Kompetenz des Bundes. Der Heimatkanton würde zwar angehört, für den Einbürgerungsentscheid wäre schliesslich aber das Staatssekretariat für Migration zuständig. «Solche Verfahren sind mit deutlich weniger Aufwand verbunden. Das Vorsprechen vor der Einbürgerungskommission der Gemeinde beispielsweise ist nicht mehr nötig», sagte der Frauenfelder Stadtpräsident Anders Stokholm diese Woche bei einem Auftritt mit Justizministerin Simonetta Sommaruga. Ausserdem wäre künftig nur noch auf Bundesebene eine Einbürgerungsgebühr fällig. Diese liegt heute für Einzelpersonen bei 100 Franken. Die Kantons- und Gemeindegebühren, die etwa im Kanton Basel-Landschaft zusammen bis zu 4000 Franken betragen können, entfielen.

Im Nationalrat erreichte die Vorlage im September eine klare Mehrheit, den Ständerat passierte das neue Bürgerrechtsgesetz deutlich weniger komfortabel. Zwei Drittel der CVP-Vertreter und die halbe FDP-Delegation stellten sich in der kleinen Kammer dagegen. Zum gegnerischen Lager gehörten Stefan Engler (CVP/GR) und Damian Müller (FDP/LU). «Für mich haben föderalistische Argumente den Ausschlag gegeben. Die Einbürgerung von Personen der dritten Ausländergeneration sollte weiterhin Sache der Kantone sein», sagt Müller. Und Stefan Engler meint: «Die Gemeinden sind viel näher dran. Sie können besser beurteilen, ob eine Person die Integrationskriterien erfüllt.» Ausserdem existierten in vielen Kantonen schon heute Erleichterungen für junge Ausländer, so Engler. Der Nutzen der Gesetzesrevision sei deshalb überschaubar.

Kantone sind einverstanden

Tatsächlich kennt die Mehrheit der Kantone Vereinfachungen bei der ordentlichen Einbürgerung, von denen auch Ausländer der dritten Generation profitieren. Im Kanton St. Gallen ist die Gemeindeversammlung oder das Gemeindeparlament in bestrittenen Fällen von der Mitsprache ausgeschlossen, wenn der Gesuchsteller jünger als 20 ist, seit zehn Jahren in der Schweiz und seit fünf Jahren in der Gemeinde wohnt sowie die Eignungskriterien erfüllt. Der Kanton Luzern kennt zwar keine Einbürgerungserleichterungen. «Einzelne Gemeinden sehen aber in speziellen Fällen ein beschleunigtes Verfahren vor», sagt Erwin Rast-Schulz vom Justiz- und Sicherheitsdepartement. Für Marianne Streiff-Feller vom Ja-Komitee sind die geltenden kantonalen Erleichterungen ein Hauptargument für ein Ja am 12. Februar. «Es herrscht Wildwuchs und Rechtsungleichheit.» Dass an Ausländer der dritten Generation schweizweit dieselben Kriterien angelegt werden sollen, sei ein «Gebot der Gerechtigkeit», so die Berner EVP-Nationalrätin.

Sowohl Stefan Engler als auch Damian Müller stehen mit ihrer ablehnenden Haltung für eine Minderheit in ihrer Partei. Die CVP fasst ihre Parole zwar erst Ende Januar, ein Nein wäre aber eine grosse Überraschung. In der FDP hat die Parteispitze bereits die Ja-Parole beschlossen. «Damit kann ich leben. Mit Ausnahme der Kompetenzverschiebung auf die Bundesebene habe ich inhaltlich nichts am Gesetz auszusetzen», sagt Müller. Die Kantone selber sind mit der von Müller beanstandeten Entmachtung aber einverstanden. «Das ist eine gute Vorlage, unsere Anliegen wurden aufgenommen», sagte der Zuger Regierungsrat Beat Villiger (CVP) diese Woche im Namen der kantonalen Justizdirektoren.