Eine Firma aus der Schweiz will Technologie zur Überwachung ins diktatorisch regierte Usbekistan verkaufen. Das stellt den Bund vor heikle Fragen.
Usbekistan gilt als eine der schlimmsten Diktaturen. Staatschef Islam Karimov regiert das Land seit dem Ende der Sowjetunion mit eiserner Hand. Auf der Rangliste der Pressefreiheit der Organisation «Reporter ohne Grenzen» belegt es Platz 166 von 180. «Human Rights Watch» kritisiert die Menschenrechtsbilanz: Folter sei an der Tagesordnung, die Behörden verfolgten Oppositionelle bis ins Exil. Gleichzeitig ist der strategisch wichtige zentralasiatische Staat ein Partner der Nato. Zudem ist das Land Mitglied der Schweizer Stimmrechtsgruppe in der Weltbank.
Nun will Usbekistan offenbar modernste westliche Überwachungstechnik beschaffen. Am heiklen Deal ist eine Firma aus der Schweiz interessiert. Laut zuverlässigen Branchenquellen hat sie bei der Exportkontrolle, dem Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco), eine entsprechende Voranfrage gestellt. Offen ist, um welche Firma es geht; in Frage kommen gut ein Dutzend (siehe Text unten).
Die Ausfuhr von Überwachungstechnik ist meist bewilligungspflichtig. Voranfragen sind bei Produkten, die zivil -und militärisch verwendet werden können (Dual-Use-Güter), wie beim Waffenexport üblich. Eine Firma sondiert so, ob die Ausfuhr möglich wäre, bevor sie Verträge aushandelt. Formal handelt es sich nicht um eine Bewilligung. Der Firma ist also durchaus bewusst, dass der Export problematisch sein könnte. Technik zur Überwachung des Internets oder von Handys ist im Kampf gegen Kriminelle und den Terrorismus, etwa gegen islamistisch orientierte Gruppen, wichtig. Doch der Export an Diktaturen ist heikel, weil diese die Produkte auch gegen Oppositionelle verwenden können.
Das Seco will die Anfrage für Usbekistan wegen des Amtsgeheimnisses weder bestätigen noch dementieren. Meist sind es Geheimdienste oder Sondereinheiten, die modernste Überwachungstechnik beschaffen möchten. Diskretion ist für sie zentral. Man nehme zum konkreten Fall keine Stellung, sagt Seco-Sprecherin Antje Bärtschi unserer Zeitung. Ausfuhrgesuche von politischer Tragweite beurteile eine interdepartementale Kontrollgruppe. Bloss: Letztlich kann der Bund auf dem Rechtsweg heikle Exporte kaum verbieten. Denn im Gegensatz zum Waffenexport gibt es für Dual-Use-Güter keine Kriterien, die die Menschenrechte betreffen.
Im Klartext: Die Hürden, um eine Bewilligung zu verweigern, sind sehr hoch. Im Herbst schrieb das Seco in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage, es habe bisher keine Exporte verboten. Dies sei nur möglich, wenn damit die Sicherheit gefährdet werde oder Sanktionen verletzt würden. Oder wenn die Produkte für Massenvernichtungswaffen, Terroristen oder Verbrechen bestimmt seien. Eine Hintertüre gibt es: Im Notfall könnte der Bundesrat politisch entscheiden. Die Bundesverfassung sieht vor, dass die Regierung Verfügungen erlassen kann – etwa bei Reputationsrisiken. Diese Hintertüre brachte das Seco dieses Jahr bereits bei einem geplanten Export ins autokratisch regierte Turkmenistan ins Spiel. Die betroffene Firma Gamma zog darauf das Gesuch zurück.
Linke Politiker wollen den Export von Überwachungstechnik strenger regulieren. Sie sehen sich durch die Voranfrage für Usbekistan bestärkt.
«In so einem Staat ist das Missbrauchspotenzial gross», sagt Balthasar Glättli, Fraktionschef der Grünen. Er will strengere Regeln und den Export von Überwachungstechnik wie jenen von Kriegsmaterial behandeln, wo Menschenrechtskriterien gelten. Ins selbe Horn stösst Nationalrätin Edith Graf-Litscher (SP/TG), Mitglied der sicherheitspolitischen Kommission: «Es wird unterschätzt, was diese Technik anrichten kann.»
Mit ihren Forderungen stiessen linke Politiker bei den Bürgerlichen bisher auf taube Ohren. Glättli führt das auf die mangelnde Transparenz zurück. «Das Seco soll mindestens sagen, für welche Güterkategorien und für welche Länder es Exporte bewilligt hat.» Dies plant das Seco tatsächlich, wie eine Sprecherin sagt. Es will neu eine Statistik zu den genehmigten Ausfuhren veröffentlichen. Für Kritiker ist es ein erster Schritt.