BETEILIGUNG: Fragwürdiger Investor für Gütermetro

Ausgerechnet der Chef einer chinesischen Ratingagentur investiert in die geplante Gütermetro in der Schweiz. Das ist in der Wirtschaftswelt unüblich, schliesslich soll eine Ratingagentur Finanzhäuser überwachen.

Felix Lee, Peking
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Der chinesische Geschäftsmann Guan Jianzhong. (Bild: AFP (7. August 2010))

Der chinesische Geschäftsmann Guan Jianzhong. (Bild: AFP (7. August 2010))

Felix Lee, Peking

Standard & Poor, Moody’s und Fitch haben sich in der jüngeren Vergangenheit allesamt nicht mit Ruhm bekleckert. Erinnert sei an die Finanzkrise von 2008, als die drei grossen US-Ratingagenturen auf verbriefte Wertpapiere und andere fragwürdige Finanzprodukte selbst dann noch die Bestnote vergaben, als längst klar war, dass diese Papiere Schrott sind.

Die chinesische Ratingagentur Dagong und ihr Vorstandschef Guan Jianzhong erregten kurze Zeit später weltweit Aufsehen, als Dagong als erste Ratingagentur überhaupt die Kreditwürdigkeit der gesamten USA herabstufte. Als Staat seien die Vereinigten Staaten praktisch unfähig, ihre Schulden zu begleichen. Die USA stellten ein Risiko für die ganze Welt dar. Nun sorgt Dagong-Chef Guan für Schlagzeilen in der Schweiz.

Chinesische Kapitalgeber belagern die Schweiz

Mit der ihm ebenfalls unterstehenden Dagong Global Investment Holding hat der chinesische Unternehmer eine Absichtserklärung unterzeichnet, in «Cargo sous terrain» zu investieren, ein 33-Milliarden-Franken-Projekt, das einmal Pakete und Güter unterirdisch quer durch die Schweiz transportieren soll. Wie viel der von mehreren Firmen zugesagten 100 Millionen Franken von Dagong Global Investment kommen wird, um die erste Teilstrecke zwischen Zürich und Härkingen-Niederbipp vertieft zu planen, gaben die Verantwortlichen des vorgesehenen unter­irdischen Güterzuges nicht bekannt. Nur so viel: Das meiste werde von Schweizer Firmen getragen.

Seit einigen Jahren wird die Schweiz von chinesischen Kapitalgebern geradezu belagert. Die Unternehmer aus Fernost sind vor allem auf der Suche nach Investitionen, die zur technologischen Entwicklung in China beitragen. Dazu hat die chinesische Führung explizit aufgerufen. Das mag viele Schweizer verunsichern. Doch in einer freien Marktwirtschaft gibt es daran an und für sich nichts auszusetzen. Auch andere Staaten betreiben Industriepolitik. Was in diesem konkreten Fall jedoch irritiert: Ratingagenturen und Finanzhäuser sind in der Regel getrennt geführte Unternehmen. Schliesslich soll das eine das andere überwachen. Ein Finanzinvestor mit einem eigenen Ratingarm, der auch noch der Grösste in der Volksrepublik ist, entspricht nicht gerade dem Verständnis von unabhängiger Bonitätsbewertung.

Hinzu kommt, dass Dagong-Chef Guan offiziell zwar ein privater Unternehmer ist. Er hat in der Vergangenheit aber keinen Hehl aus seiner Nähe zur chinesischen Führung gemacht. Seit seiner Jugend ist der heute 51-Jährige Mitglied der Kommunistischen Partei. Und auch die Gründung der Ratingagentur 1994 ­erfolgte mit Hilfe staatlich ­gestützter Verbände und Forschungsinstitute. Die Nähe zum Staat ist in einem zentralisierten Land wie China keineswegs unüblich. Ohne Zusammenarbeit mit der Regierung würde es die meisten grossen Unternehmen in China gar nicht geben. Dagong-Chef Guan, der selbst 60 Prozent an der von ihm gegründeten Ratingagentur hält, hat jedoch wiederholt die Unabhängigkeit seiner Firma betont. Seine Agentur befinde sich vollständig im Besitz privater Investoren und sei frei von staatlichem Kapital. Sein Team und die Teilhaber dürften auch nicht im Bond- und Aktienmarkt tätig sein.

Handlanger der Regierung?

In den Anfangsjahren hatte sich Dagong zunächst auf die Bewertung lokaler Unternehmen spezialisiert. Später hat die Firma auch die Kreditwürdigkeit von ausländischen Unternehmen und anderen Staaten bewertet. Dass die Ratings sich fast durchgehend mit den Interessen der chinesischen Führung decken, dürfte kein Zufall sein. Den Vorwurf der fehlenden Unabhängigkeit bekommen allerdings auch die drei grossen US-Ratingagenturen regelmässig zu hören, zumal wenn es um US-Interessen geht.

Dass mit Guan beim unter­irdischen Güterzug ein chinesischer Investor mitmacht, der zugleich Chinas führende Ratingagentur betreibt – darin sieht «Cargo sous terrain»-Sprecher Patrik Aellig kein Problem. Im Gegenteil: Guan habe klar ­Interesse an dieser Technologie ­gezeigt, um sie «in einem sehr greifbaren Horizont» auch in der Volksrepublik einzuführen, so Aellig. «Mit seiner hohen Bevölkerungsdichte und der Finanzkraft ist China ein ideales Feld, um ‹Cargo sous terrain› zu testen und weltweit marktfähig zu machen.»