Befürworter der Netzneutralität drohen mit Klagen

Renzo Ruf, Washington
Drucken

Reaktionen Kaum waren die Stimmen gezählt, folgte bereits die erste Klagedrohung. Im Namen dreier Bundesstaaten kündigte der demokratische New Yorker Justizminister Eric Schneiderman an, er werde die bundesstaatliche Regulierungsbehörde FCC (Federal Communications Commission) vor Gericht zerren – nachdem sie unter Führung des ­republikanischen Vorsitzenden Ajit Pai mit 3 zu 2 Stimmen beschlossen hatte, die 2015 beschlossenen Regeln über den diskriminierungsfreien Zugang zu digitalen Daten (Netzneutralität) wieder aufzuheben. Schneiderman warf Pai – und damit indirekt der Regierung von Präsident Donald Trump – einen Kotau vor den grossen Telekommunikationsunternehmen vor und sprach von einem «frühen Weihnachtsgeschenk» für Internetanbieter wie Comcast, Charter, AT&T und Verizon. Schneiderman behauptete weiter, die Aufhebung der Netzneutralität werde zur Folge haben, dass der Zugang zu beliebten Internetdiensten künftig kostenpflichtig werde. Hintergrund dieser Befürchtung: Die Anhänger der Netzneutralität sagen, die führenden Internetanbieter wollten eine digitale Zweiklassengesellschaft schaffen; nur wer höhere Gebühren bezahle, werde sich künftig in Sekundenschnelle ein ­Video über einen Spielzug auf dem Football-Feld oder den Sketch einer Komikerin zu Gemüte führen können.

Chef der Behörde weist Bedenken zurück

Solche Befürchtungen hegen auch führende Tech-Firmen wie Alphabet (Google) und Facebook. Auch sie drohten der FCC deshalb bereits mit einer Klage. Pai, seit Jahresbeginn Chef der Aufsichtsbehörde, wies diese Bedenken zurück; zuvor hatte er sich in einem launigen Internet-Filmchen über die Kritik an der Entscheidung der FCC lustig gemacht. «Wir helfen den Konsumenten und wir fördern den Wettbewerb», sagte er. Dank der Aufhebung der Netzneutralität hätten die Anbieter schneller Internetverbindungen nun wieder Anreize, ihr Netz auszubauen.

Diese Zusicherungen werden vor ­allem in ländlichen Regionen Amerikas gerne gehört, ist doch die Qualität der Internetverbindung abseits grosser Ballungsräume bisweilen äusserst schlecht. Die Kritik der Befürworter der Netzneutralität wurde auch von den grossen Telekommunikationsunternehmen zurückgewiesen. «Unser Internet-Service wird sich nicht ändern», versprach ein hochrangiger Vertreter von Comcast.

Ungeachtet der Entscheidung der US-Behörde will die EU-Kommission am Prinzip der Netzneutralität im Internet festhalten. «Wir werden die Netzneutralität in Europa weiter schützen», teilte der für den Digitalmarkt zuständige ­Vizepräsident der Brüsseler Behörde, Andrus Ansip, am Freitag über Twitter mit. «Das Recht, einen offenen Zugang zum Internet ohne Diskriminierung oder Beeinträchtigung zu erhalten, ist im EU-Recht verankert.» Die EU hatte 2015 ­Regeln zum Erhalt der Netzneutralität beschlossen.

Renzo Ruf, Washington