Die Konzernspitze handelt: So wollen die SBB ihre Probleme mit der Pünktlichkeit in den Griff bekommen.
SBB-Chef Andreas Meyer bringt es selbst auf den Punkt: «Pünktlichkeit ist eine magische Kennzahl», erklärte er jüngst. Tatsächlich haben die Bundesbahnen nicht weniger als den Anspruch, das pünktlichste Bahnunternehmen Europas zu sein. Präzise getaktete Abfahrtszeiten gelten vielen im Land schlicht als Selbstverständlichkeit. «Und er fuhr so, und er kam so an», wie Peter Bichsel einmal schrieb.
Jüngst hat die Zuverlässigkeit der SBB jedoch gelitten. Zwar ist die Pünktlichkeit in den vergangenen Jahren tendenziell gestiegen. Doch 2018 waren die Züge unpünktlicher unterwegs als im Jahr zuvor. Die sogenannte Kundenpünktlichkeit ging zurück und betrug noch 90,1 Prozent.
Der Wert besagt, wie viele Reisende insgesamt pünktlich angekommen sind. Als unpünktlich gelten Verspätungen von mehr als drei Minuten; der Massstab gilt als der strengste in Europa. Gegen Ende Jahr sei die Lage gerade in der Romandie und im Tessin «unbefriedigend» gewesen, räumen die SBB ein. Ausgerechnet auf der Paradestrecke Zürich–Bern war in manchen Wochen jeder zweite Zug verspätet.
Der Konzern erklärte die Verspätungen mit Unterhaltsarbeiten und Ausbauten. Dazu kommen Lieferprobleme bei den neuen Doppelstockzügen. Wegen der fehlenden Kapazitäten habe man älteres Rollmaterial einsetzen müssen.
Lange spielten die SBB entsprechende Probleme herunter und verwiesen auf die insgesamt guten Werte. Es werde immer Umweltfaktoren geben, die man halt nicht beeinflussen könne, hiess es etwa. Störungen wurden als Einzelfälle taxiert. An der Bilanzmedienkonferenz im März gab sich CEO Meyer dann demütiger. Er beteuerte: «Wir arbeiten mehr und intensiver denn je an unserer Pünktlichkeit.»
Was das genau heisst, zeigen nun Informationen, die CH Media vorliegen. Die Konzernleitung hat sich kürzlich an einer Sitzung eigens mit der Pünktlichkeit auseinandergesetzt, wie das Unternehmen auf Anfrage bestätigt. Konkret hat die SBB-Spitze eine Reihe von Massnahmen eingeleitet:
Die Pünktlichkeit zu halten ist schon schwierig, sie weiter zu steigern äusserst knifflig – gerade mit Blick auf das Schienennetz: Dass die SBB im Jahr 2018 so viele Unterhaltsarbeiten erledigen mussten wie nie zuvor, steht exemplarisch dafür. Trotzdem ist der Rückstand beim Unterhalt noch immer riesig, wie neuste Zahlen zeigen. Ende 2018 betrug er 5,5 Milliarden Franken.
Die Konsequenz: Die SBB müssen weiterhin munter bauen und dafür Strecken sperren oder Umleitungen einrichten. «Das Halten und Verbessern der Pünktlichkeit ist deshalb anspruchsvoll», sagt SBB-Sprecher Schärli. Auch aus diesem Grund lege die Konzernleitung grosses Augenmerk auf das Thema.
Wie erfasst man die Pünktlichkeit? Die SBB setzen auf die sogenannte Kundenpünktlichkeit. Der Wert zeigt, wie viele Reisende insgesamt ihr Ziel mit weniger als drei Minuten Verspätung erreicht haben. Gemessen wird an Bahnhöfen und ausgewählten Punkten. Was die SBB selbst nicht kommunizieren, ist die Zugpünktlichkeit; sie gibt an, wie viele Züge ihr Ziel in der Drei-Minuten-Frist erreichen. In die Lücke springt das private Portal «Puenktlichkeit.ch», das jüngst auf grosse Beachtung stiess. Seine Zahlen stützen sich auf Daten, die von den Verkehrsunternehmen gemäss «Open Data»-Grundsatz veröffentlicht werden. Die SBB halten die Kundenpünktlichkeit jedoch für aussagekräftiger. Sie berücksichtige auch, wenn ein Zug etwa spätabends fast leer unterwegs ist. Allerdings räumen selbst die SBB ein: Im Einzelfall sei es für Kunden nicht relevant, wie gut der Gesamtwert ist. «Sie brauchen eine rasche und gute Lösung für ihr aktuelles, konkretes Transportproblem.» (sva)