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Schweiz
Am 25. November entscheidet das Stimmvolk über die Selbstbestimmungsinitiative der SVP. Die Gegner bezichtigen Bundesrat Johann Schneider-Ammann nun, mit dem Zeitpunkt seines Rücktritts den Ausgang der Abstimmung zu beeinflussen.
Von einem «verpatzten Start» sprachen am Dienstag die Gegner der Selbstbestimmungs-Initiative. Denn Bundesrat Johann Schneider-Ammann stahl ihnen die Show, als er am Morgen seinen Rücktritt auf Ende Jahr bekannt gab. Ein Bundesratsrücktritt beschäftigt die Medien ungleich stärker als ein Kampagnenauftakt. Das zeigte sich dann am Nachmittag an der zweiten Pressekonferenz, an der Schneider-Ammann zusammen mit SP-Bundesrätin Simonetta Sommaruga erklärte, wieso die SVP-Initiative am 25. November abzulehnen sei. Da war der Saal nicht halb so voll wie bei der Rücktrittsankündigung einige Stunden zuvor.
Die Gegner der SVP-Initiative befürchteten deshalb nicht zu Unrecht, dass über den Abstimmungsauftakt nur flau berichtet werden würde. Schneider-Ammann böse Absicht zu unterstellen, wäre indes verfehlt. Dass der Wirtschaftsminister seinen Rücktritt auf Dienstagmorgen legen würde, war ursprünglich nicht so geplant, wie er selbst zugab. «Eigentlich wollte ich am Freitag meinen Rücktritt bekannt geben.» Doch ob der Spekulationen, die seit Montag in Bern wild kursierten, wollte er nicht länger zuwarten. Er wollte nicht länger lügen und er wollte auch seiner Frau nicht zumuten, weiterhin für ihn lügen zu müssen. So verlegte Schneider-Ammann die Ankündigung kurzerhand vor, informierte am Montagabend seine Bundesratskollegen und am Dienstagmorgen das Parlament.
Wegen dieses Manövers bezichtigte ihn ein Journalist an der Medienkonferenz, die ganze Abstimmung zu kompromittieren. Das stritt Schneider-Ammann freilich ab. Er werde sich mit Engagement dagegen einsetzen. Tatsächlich erklärte er am Nachmittag mit Nachdruck, dass die Initiative der Wirtschaft «grosse Sorgen» bereite, weil sie sowohl die Rechtssicherheit sowie den Zugang zu offenen Märkten gefährde. Er bemühte sein alt bekanntes Sprüchli: «Wir beziehen jeden zweiten Franken mit Exporten.» Und diese seien nur möglich, weil Verträge die Handelsbedingungen regeln. «Rund 600 internationale Verträge sind für die Schweiz von höchster Bedeutung», sagte er. Würden diese brüchig, wäre der Wohlstand der Schweiz gefährdet.
Trotzdem machte bald das Gerücht die Runde, die Rücktrittsspekulation sei von SVP-Seiten gezielt als Indiskretion gestreut worden – mit dem Ziel, den Auftakt der Kampagne zu stören. Das ist insofern schwer vorstellbar, als dass nur engste Kreise in Rücktrittspläne von Bundesräten involviert werden, weil es sich um sehr persönliche Entscheide handelt.
Zudem darf eine Auftakts-Pressekonferenz eines Abstimmungskampfs nicht überbewertet werden. Über die Argumente des Bundesrats zu bevorstehenden Abstimmungen berichten vor allem elektronische Medien – es gehört zum Service public. Also flimmerten die Beiträge auch gestern über die Sender. Viel eher könnte es sich als Problem herausstellen, dass sich die mediale Aufmerksamkeit bis zum Abstimmungssonntag nun auf die Nachfolge-Diskussion konzentriert.
Jedenfalls nahm Sommaruga auf Anfrage Schneider-Ammann in Schutz. Sie sagte, ihr Kollege sei sehr engagiert und motiviert. «Ich schätze es sehr, dass er die Perspektive der Wirtschaft in diesen Abstimmungskampf einbringt», so die Justizministerin. Tatsächlich bedeutet der angekündigte Rücktritt nicht nur ein Nachteil für die Abstimmungs-Kampagne: Es ist sein letzter grosser Kampf. Johann Schneider-Ammann wird ihn nicht verlieren wollen.