Der Bund verbietet den Kantonen, Moratorien für 5G zu erlassen. Für die Kritiker stellt sich damit immer mehr die Frage: Wie lässt sich die Einführung des neuen Mobilfunkstandards überhaupt noch stoppen?
Eigentlich wollten die drei Kantone keine 5G-Antennen auf ihrem Gebiet. Im Waadtland und in Genf sprachen sich die Parlamente im April für ein Moratorium aus, im Jura legte gar die Regierung den Bau der neuen Funkantennen auf Eis. Und doch: In den drei Kantonen sind heute bereits 40 Sendeanlagen des neusten Mobilfunkstandards in Betrieb. Dieser verspricht den Handynutzern zwar bis zu hundert Mal schnellere Internetverbindungen, führt aber aufgrund der erhöhten Strahlung auch zu gesundheitlichen Bedenken bei der Bevölkerung.
Ein Grund, wieso das Moratorium nicht greift, liegt darin, dass es bei den meisten 5G-Antennen um ausgebaute bestehende Sendeanlagen geht. Doch auch den Bau neuer Antennen treiben die Telekomanbieter weiter, weil der Bund bei den drei Westschweizer Kantonen interveniert hat. Nicht die Kantone, sondern der Bund sei dafür zuständig, die Bevölkerung vor schädlicher Strahlung zu schützen, teilten die zuständigen Bundesstellen Anfang Monat mit. Im Schreiben hiess es:
«Es bleibt deshalb kein Raum für kantonale oder kommunale Bestimmungen zum Schutz des Menschen vor der Strahlung von Mobilfunkanlagen; der Erlass solcher Bestimmungen wäre kompetenzwidrig.»
Bisher halten sich die Kantone daran. Die Telekomanbieter erhalten weiterhin ihre Baubewilligungen für 5G-Funkantennen, wie man aus der Branche hört.
Wenn der kantonale Weg vom Bund durchkreuzt wird: Wie sollen die 5G-Skeptiker überhaupt noch gegen die neue Technologie vorgehen? «Zum Beispiel mit einem nationalen Moratorium», sagt Jérôme Meier vom Verein «Schutz vor Strahlung». Meier war Mitorganisator der nationalen Demonstration in Bern, die vorletztes Wochenende Hunderte von Personen zusammengebracht hatte. Er sagt:
«Der Bund soll erst die gesundheitlichen Bedenken genau unter die Lupe nehmen, bevor er die neue Technologie zulässt.»
Allein, die politische Unterstützung für ein nationales Moratorium fehlt. Der Zürcher SP-Nationalrat Thomas Hardegger ist der wohl profilierteste 5G-Skeptiker im Bundesparlament. Er sagt: «Ein nationales Moratorium ist unrealistisch bei den bestehenden Mehrheitsverhältnissen im Parlament.» Und der Dossierführer bei den Grünen, der Luzerner Nationalrat Michael Töngi, äussert Zweifel, ob ein Moratorium überhaupt der richtige Weg sei. «Bis wir im Parlament ein Moratorium beschlossen haben, ist bereits das ganze Land mit 5G-Antennen überzogen», sagt er.
Für Hardegger ist der Kampf in den Kantonen noch nicht entschieden. «Ich bin mir nicht so sicher, ob die Intervention des Bundes rechtlich wasserdicht ist», sagt Hardegger. Er sieht den Grund für die Stellungnahme des Bundes vor allem darin begründet, dass man andere Kantone von ähnlichen Plänen abbringen haben wolle. Hardegger hofft, dass die Kantone das Moratorium auf ihrem Gebiet durchsetzen. Hardegger sagt:
«Es sollte juristisch abgeklärt werden, ob die Kantone wirklich tatenlos zuschauen müssen, wie ihre Siedlungsgebiete in einem Antennenwald versinken.»
Bei Funkanlagen, die zusammen mit anderen Antennen ein System bilden, fragt sich der Gemeindepräsident von Rümlang, ob dazu nicht ein Richtplaneintrag notwendig wäre. «Man könnte den Bau dieser Anlagen dem Planungsverfahren unterstellen und so die Bewilligung steuern.»
Für Töngi ist die Stellungnahme des Bundes «widersprüchlich». Einerseits sage der Bund, dass die Kantone für die Bewilligungen der Antennen zuständig seien. Andererseits pfeife er sie zurück, wenn sie dieser Aufgabe nachkämen, sagt er. «So nimmt man die Sorgen der Bevölkerung nicht ernst» sagt Töngi. «Mit dem gewählten Vorgehen hat die Bevölkerung kaum Handhabe, gegen die Aufrüstung der Antennen vorzugehen.»
Welche Schritte die drei Westschweizer Kantone mit ihren Moratorien gehen werden, ist nicht klar. Dem Vernehmen nach herrscht grosse Unsicherheit über die Anwendung. Präzise Antworten blieben aus.