Zum 90-Jahr-Jubiläum der St.Galler Modefirma hat die amerikanische Museumskuratorin Valerie Steele ein Buch über Akris geschrieben. Es wird morgen am Pariser Défilé vorgestellt. Im Gespräch erklärt die Autorin, was sie an der Marke begeistert.
Sie ist Museumsdirektorin am Fashion Institute of Technology (FIT) in New York, hat über 20 Modeausstellungen kuratiert – zum Beispiel über die Gotik, die Geschichte des Korsetts und die japanische Mode – und hat zwölf Bücher über die Entwicklung der Mode geschrieben. Das neueste Werk von Valerie Steele ist ein Buch über die 90jährige Geschichte von Akris.
Valerie Steele: Akris ist schon seit sechs Jahren auf meinem Radar. Seit ich erstmals ein Défilé von ihm besuchte, verfolge ich die Entwicklung der Marke. Die hohe Qualität der Kleider hat mich neugierig gemacht, den Designer persönlich kennenzulernen.
Steele: Gibt es denn welche? Ich kenne nur Unterwäschefirmen.
Steele: Akris wurde lange unter seinem Wert gehandelt. Ich habe aber immer wieder Gutes über die Marke gehört, vor allem vom New Yorker Warenhaus Bergdorf Goodman und vielen Kundinnen.
Steele: Zum Beispiel die Hosen. Sie sitzen perfekt, nicht nur für Grösse 34, sondern auch für eine 42. Das ist eine Kunst. Als ich Albert Kriemler bei der Arbeit beobachtete, merkte ich, wie viel Überlegung er in die Entwicklung seiner Kleider steckt. Er hat dabei stets seine Kundinnen vor Augen und nicht in erster Linie den Effekt auf dem Laufsteg.
Steele: Die Akris-Garderobe funktioniert immer: Für die Frau in leitender Position, aber auch für jene, die reist. Albert Kriemler fragt sich: Wie müssen Kleider sein, damit sie knitterfrei aus dem Koffer kommen? In welchen Kleidern fühlt sich eine Frau entspannt, ohne ständig ihre Garderobe in Frage zu stellen? Kleider sollen eine Art Wohnung für den Körper sein, in der man sich zu Hause fühlt.
Steele: Es gibt nur wenige Frauen, die sich bei der Qualität der Materialien wirklich auskennen. Die meisten sind mit preisgünstigen Stoffen vertraut. In Amerika gibt es aber eine Kundschaft, die bereit ist, für Qualität mehr Geld auszugeben. Wichtig ist, dass man die Frauen auf diese guten Materialien aufmerksam macht.
Steele: Ja. Wenn sie das richtige Kleid trägt, sagt man spontan: Die Frau sieht toll aus! Erst später stellt man fest, wie vorteilhaft ihr Kleid für den Gesamteindruck ist. Akris-Kleider unterstützen die Wirkung der Persönlichkeit.
Steele: Sicher, aber das ist ein anderer Approach zur Mode. Prada, Balenciaga oder Chanel haben eine DNA, die man sofort erkennt. Albert Kriemler will keine so vordergründige Wirkung erzielen.
Steele: Er ist ein Ästhet, kultiviert, intelligent, empfänglich für jede Art von Kunst und Architektur. Er kennt fast jedes Museum.
Steele: Jeder Designer hat irgendeinen kulturellen Hintergrund. Für den einen ist es Hip-Hop, für den anderen Trash. Welche Richtung er wählt, hängt von seinem Modestil ab. Albert Kriemler ist von der zeitgenössischen Architektur und Kunst begeistert. Nachdem Mode ein visuelles Medium ist, scheint es mir natürlich, dass er sich an Bildern inspiriert, zum Beispiel an jenen des Schweizer Malers Vallotton.
Steele: Minimalismus war in den letzten hundert Jahren immer wieder in Mode. Bereits Coco Chanels «Kleines Schwarzes» war in den 20er-Jahren Ausdruck von Minimalismus. In den 60er-Jahren führten Courrèges und Cardin eine Art futuristischen Minimalismus ein. In den Neunzigern war Jil Sander die herausragendste Vertreterin des Stils. Heute sind es Phoebe Philo bei Celine und Raf Simons. Bei Akris ist Minimalismus keine Frage des Trends, sondern Bestandteil seiner Mode.
Steele: Absolut. Die Leichtigkeit, technische Virtuosität, die Dekoration als Teil des Stoffes, die unfehlbare Konstruktion, der selbstverständliche Luxus bequemer Materialien wie Cashmere, Double Face und Stickereien: All das macht Akris so speziell.
Steele: Entscheidend war, dass Akris vor 12 Jahren den Schritt nach Paris wagte. An den Prêt-à-porter-Schauen vergleichen sich die Modeschöpfer in hartem Konkurrenzkampf. Das wachsende Vertrauen in seinen eigenen Stil führte zu kühneren Kollektionen. Der grosse Durchbruch kam mit den Fotoprint-Kleidern. Die Motive des Grand Prix von Monte Carlo im letzten Jahr oder das schottische Gartenthema auf Seide und Pailletten waren grossartig.
Steele: Logomania kommt und geht. Im Moment geht der Trend eher zum unspektakulären Luxus. Das Etikett muss nicht mehr überall sichtbar sein. Heute ist es schick, etwas Luxuriöses zu tragen, das nur Insider kennen. Wie Taschen von Hermès und Akris.