Italien
Krise frisst das Tiramisù - Restaurant des Erfinders muss schliessen

In den Siebzigerjahren wurde im Ristorante Le Beccherie in der Textilstadt Treviso im Veneto das weltbekannte Dessert erfunden – nun muss das Lokal schliessen.

Dominik Straub, Rom
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Der Inbegriff des italienischen Desserts: Tiramisù.

Der Inbegriff des italienischen Desserts: Tiramisù.

Bartlomiej Zyczynski - Fotolia

Tiramisù: Das ist nicht nur eine raffinierte italienische Süssspeise, sondern auch die weltweit am meisten angeklickte Dessertbezeichnung im Internet.

Allein in japanischer Sprache sollen sieben Millionen Webseiten existieren, die das Wort enthalten.

Vor gut einer Woche haben sich zwischen New York und Moskau über zweitausend Pâtissiers und Gourmet-Köche am International Day of Italian Cuisines beteiligt, an dem das Tiramisù als eine der herausragenden italienischen Gastro-Spezialitäten gefeiert wurde. Dabei ist die süsse Leckerei noch keine fünfzig Jahre alt.

Erfunden wurde das Tiramisù in den Siebzigerjahren in der Textilstadt Treviso im Veneto, genauer im Traditionsrestaurant Le Beccherie der Familie Campeol.

Wirtin Ada Campeol hatte gerade ihren ersten Sohn geboren – und um sich während des Stillens zu stärken, schufen Ada, Ehemann Carlo und ihr Pasticciere Roberto Linguanotto auf der Basis der Coppa Imperiale eine Art Energy-Dessert aus dem kalorienreichen, cremigen Mascarpone, mit Marsala beträufelten Löffelbiskuits, Eiern und Kaffee.

Es heisst, die Tiramisù-Erfinder hätten sich dabei an den Stärkungen orientiert, die in den norditalienischen Bordellen serviert wurden. Nicht umsonst heisst «Tiramisù» ja wörtlich «zieh mich hoch».

Wie auch immer: Das «Beccherie», wo sich einst Trevisos Sport- und Politikprominenz getroffen hatte, wo Vereine tagten und Hochzeiten gefeiert wurden, wird Ende März für immer schliessen, wie Carlo Campeol jr. gegenüber dem «Corriere del Veneto» bestätigte.

Wegen der Krise seien die Kunden gleich massenhaft ausgeblieben. Ausserdem hätten sich die Verpflegungsgewohnheiten geändert: Jede Bar biete heute eine «tavola calda», also ein preisgünstiges warmes Mittagsmenü an; Imbissbuden, Take-away-Pizzas und Fastfoodketten erledigten den Rest.

Er wolle schliessen, bevor er seinen drei Angestellten den Lohn nicht mehr bezahlen könne, sagt Campeol.

Ein Stück Weltgastronomie

«Die Schliessung des ‹Beccherie› ist eine Nachricht, die ich lieber nicht hätte lesen wollen», betont der Präsident der Region Venetien, Luca Zaia.

«Sie bedeutet nicht nur das Ende eines Stücks Geschichte von Treviso, sondern auch das Verschwinden einer Seite im Buch der Weltgastronomie.»

Der Regionalpräsident und ehemalige Landwirtschaftsminister Silvio Berlusconis hatte erst vor kurzem den Anstoss dazu gegeben, das Tiramisù in der EU zu einer lokalen Spezialität zertifizieren zu lassen.