Jürg Altherr
Jürg Altherrs Skulptur auf dem Friedhof Albisrieden polarisiert

Die einen nervt es jeden Tag, die anderen bestaunen es mit Ehrfurcht: das neue Gemeinschaftsgrab mit einer Skulptur des Künstlers Jürg Altherr. Besuch einer Führung vor Ort.

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Limmattaler Zeitung

David Hunziker

Die dünnen rostigen Eisenstangen des «Windrechens» ragen in den Himmel. Sie trennen einen breiten Kiesweg von der daneben liegenden Rasenfläche, dem Grabfeld.

Unter Mitwirkung des Limmattaler Künstlers Jürg Altherr wurde der Friedhof Albisrieden kürzlich um ein Gemeinschaftsgrab erweitert. Ein Trend, sich auf diese Weise bestatten zu lassen, bewegt die Stadt dazu, die Zahl dieser Gräber auszubauen. Eine öffentliche Führung unter Anwesenheit der Landschaftsarchitekten, des Künstlers und der Verantwortlichen der Stadt Zürich sollte die Bevölkerung informieren.

«Entsetzt und enttäuscht»

Altherrs Skulptur, die die Grabanlage entscheidend prägt, polarisiert. «Ich bin entsetzt und enttäuscht», meldet sich eine langjährige Anwohnerin zu Wort, der Anblick störe sie jedes Mal, wenn sie am Friedhof vorbeigehe.

«Mit so etwas hat man schon seine Mühe», meint auch der Herr neben ihr. Dagegen wird auch das Lob eines Anwesenden mit Applaus quittiert. Altherrs Skulptur ist gewagt und sprengt in ihrer räumlichen Dominanz den Rahmen bisheriger Gemeinschaftsgräber.

Das macht sie zur auffälligen Erscheinung. «Um Provokation geht es mir nicht», sagt Altherr, «doch der öffentliche Raum ist mir als Ort der Auseinandersetzung wichtig.» Eine Skulptur sei für ihn ein räumliches Gefüge, das lesbar ist – oder eben nicht. «Da gibt es nichts zu reklamieren. Mir muss ja auch nicht alles gefallen, was mein Nachbar in seinen Garten stellt», meint der Künstler.

In der Diskussion taucht mehrmals die Forderung auf, dass über Projekte wie das Albisrieder Gemeinschaftsgrab demokratisch befunden werden soll. Altherr widerspricht: «Für ein Kunstwerk muss eine Person die Verantwortung übernehmen. Kunst hat noch nie demokratisch funktioniert.»

Er rät den Anwohnern jedoch, sich mit seinem Werk auseinander zu setzen. Aus seinem eigenen Ärger für andere Kunstwerke sei bei ihm selbst auch schon Bewunderung entstanden.

«Ort hat etwas Magisches»

Der starke Effekt des Werks auf einige Anwohner ist zwar zu verstehen, doch hat Altherr bei der Realisierung gerade darauf geachtet, «dass es aussieht, als würde dieses Objekt schon seit je hier stehen».

Es ist schlicht gestaltet und fügt sich perfekt in die Architektur des Friedhofs ein, betont diese sogar. Etwa eine durch die Mitte des Friedhofs verlaufende Thuja-Allee wird durch Altherrs Skulptur imitiert.

Sie reiht sich vergleichbar einer weiteren Ebene neben ihr ein. «Dieser Ort hat fast etwas Magisches», sagt Landschaftsarchitekt Daniel Ernst in seiner Einführung. Diese Magie habe das Projekt erhalten wollen, indem die Handschrift früherer Planungen beibehalten wurde. «Die Aufenthaltsqualität hier ist unglaublich hoch», meint Torsten Seidel, Friedhofsverantwortlicher.

Bei Beerdigungen habe er beobachten können, wie das Kiesstück, das die Planer «Wandelhalle» getauft haben, die Leute anzieht. Seidel versteht jedoch auch, dass das Projekt polarisiert. «Die Anbindung an den Friedhof ist in diesem Quartier ungewöhnlich hoch», sagt er.