Kunst Die kanadische Künstlerin Petra Collins, 24, hat für American Apparel eine T-Shirt-Kollektion entworfen mit Illustrationen von Vaginas, aus denen Blut fliesst. Die ehemalige Ballerina zeigt Bilder von masturbierenden und menstruierenden Frauen, die normalerweise nicht gezeigt werden, weil sie als eklig gelten.
Menstruationsblut wird manchmal sogar zum Kunstprodukt, mit dem man anecken kann. Und ist bei mancher jungen Künstlerin hoch im Kurs. Igitt? Ja, aber vor allem auch eine der normalsten Sachen der Welt. Und noch immer ein Tabu, das provoziert, wie die Inderin Rupi Kaur beweist. Sie postete auf Instagram ein Bild von sich im Pyjama, mit einem kleinen Blutfleck auf dem Hintern. Eine harmlose Situation, wie sie die Hälfte der Menschheit kennt. Trotzdem zensurierte Instagram das Bild.
Auch die Wiener Künstlerin Valentina Anna Mitterer erklärt die Periode zum Thema ihrer Kunst. Jahrelang litt die junge Frau unter solch heftigen monatlichen Bauchkrämpfen, dass sie deswegen ins Spital musste. Ihre Erfahrungen hat sie zu einem Kunstfilm verarbeitet (siehe Bild). Die 30-Jährige schrieb über die Menstruation auch eine Diplomarbeit. «Kein einfaches Thema», sagt sie. Die meisten Widerstände schlugen ihr ausgerechnet von Frauen entgegen. Eine Professorin etwa bemerkte, sie wolle kein Blut sehen.
Pipilotti Rist brach mit diesem Tabu schon 1993 lustvoll und drehte den märchenhaften «Blood Clip». Eine nackte Frau liegt auf dem Waldboden, mit glitzernden Edelsteinen bedeckt, Blut rinnt über ihre Beine. Die Frau tanzt um den Mond, Planeten schwirren um sie herum. «Es stört mich, dass Menstruationsblut als schmutzig gilt», sagte Multimedia-Künstlerin Rist einmal. «Wenn wir Frauen bluten, ist das ein Zeichen von Gesundheit.» Auch 2009, in ihrem ersten Kinofilm «Pepperminta», griff sie das Thema spielerisch auf. In einer Szene trinken die Heldin und ihre Freunde zusammen Menstruationsblut aus einem Heiligen Gral. Mancher Zuschauer krümmte sich vor Ekel. Menstruationsblut, ein Zeichen der Weiblichkeit, aber für viele pfui, gehört nicht ans Licht – so denken noch heute dieAABB22meisten. Das stinkende Blut soll bitteschön unsichtbar im privaten Kübel verschwinden. Es sei denn in der Werbung, wo es als sterile blaue, klinisch saubere Flüssigkeit gezeigt wird.
Wenn heute Künstlerinnen das Thema aufgreifen, wirkt es cool und rebellisch. Mühsam erarbeiten mussten es sich noch die Feministinnen in den 70er-Jahren. Zu den Pionierinnen gehörten die US-Künstlerinnen Judy Chicago und Miriam Schapiro. Sie organisierten 1972 eine der ersten feministischen Gruppenausstellungen, das «Womenhouse». In einem Abbruchgebäude richteten sie als Installation ein Badezimmer ein. Neben dem WC stand, quasi als Skulptur, ein übervoller Kübel mit blutverschmierten Binden und Tampons. Die japanisch-amerikanische Fluxus-Künstlerin Shigeko Kubota wagte es bereits 1965, den intimen Körpervorgang sichtbar zu machen. 1965 zeigte sie in New York ihre Performance «Vagina-Painting». Dabei kauerte sie nieder und verteilte mit einem Pinsel, der an ihrer Unterhose befestigt war, rote Farbe. Die Vagina-Malerei sollte die weibliche Antwort auf Jackson Pollocks Action Painting sein – eine dynamische Maltechnik, bei der Farbe unkontrolliert auf die Leinwand gespritzt wird. Im Zuge der Frauenbewegung schuf Carolee Schneemann 1972 ihr «Blood Work Diary» – indem sie Leinwände mit Menstruationsblut bearbeitete. Auch Sarah Levy nutzte kürzlich ihr Periodenblut und malte damit ein Porträt von Präsident Donald Trump. «Die Menstruationskunst erlebt gerade einAABB22Revival», sagt Valentina Mitterer. Sie hofft, dass es nicht nur ein Hype ist. «Jede Frau macht’s mit sich aus, im Verborgenen. Dabei ist die Menstruation eine kollektive Geschichte.»
Melissa Müller
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