Jährlich sterben weltweit fast gleich viele Menschen durch Ertrinken wie an Malaria, die Prävention steht kaum im Fokus von Hilfsorganisationen. Das will die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft ändern.
Die Zahl ist ernüchternd: 372 000. Der erste Bericht der Weltgesundheitsorganisation WHO zur Ertrinkungsprävention aus dem Jahr 2014 nennt die Anzahl Menschen, die jährlich in Gewässern ums Leben kommen. Das sind nur rund 100 000 weniger, als Menschen an Malaria sterben. Der Bericht hat auch die Schweizerische Lebensrettungs-Gesellschaft (SRLG) aufgeschreckt. «Deshalb haben wir im Herbst begonnen, uns mit internationalen Partnern zusammenzuschliessen, um die Koordination in Sachen Ertrinkungsprävention voranzutreiben», erklärt Reto Abächerli, SRLG-Geschäftsführer. Er zählt Ertrinken zu den meist unterschätzten Todesursachen.
In der Schweiz sind die Zahlen seit Beginn der Aufzeichnungen der SLRG im Jahre 1931 insgesamt rückläufig, wobei sie sich in den letzten 40 Jahren auf relativ tiefem Niveau stabilisiert haben. Im Jahr 2015 starben 50 Menschen beim Gang ins kühle Nass. Auffallend ist der hohe Anteil an Männern, der zuletzt meist bei deutlich über 70 Prozent lag. «In unseren Breitengraden ist Ins-Wasser-Gehen ein Freizeitvergnügen», sagt Abächerli. In Entwicklungsländern ist dies anders: Unbeaufsichtigte Kinder und Jugendliche stellen in armen Staaten die grösste Opfergruppe dar. Die Hälfte aller weltweit Ertrunkenen ist unter 25 Jahre alt.
Und genau deshalb brauche es besonders in Entwicklungsländern eine flächendeckende Prävention unter Einbezug und Koordination aller beteiligten Institutionen: den nationalen Ablegern des Roten Kreuzes, den Rettungsschwimmer-Verbänden sowie den staatlichen Behörden vor Ort. «Es gibt Länder, da übernimmt das Rote Kreuz die Aufgabe der Ertrinkungsprävention, anderswo sind es die Ableger der Internationalen Lebensretterföderation ILS», sagt Abächerli. Die SLRG ist eingebunden in beide Organisationen. Als Mitglied des Schweizerischen Roten Kreuzes (SRK) ist die SLRG quasi an der Schnittstelle. Und diese Position möchte sie nun nutzen, um Impulsgeber für eine bessere weltweite Vernetzung zu sein.
Urs Frieden vom Departement Gesundheit und Integration des SRK bestätigt, dass man von Seiten seiner Organisation offen ist für die verstärkte Zusammenarbeit. Das SRK ist in drei Ländern in der Ertrinkungsprävention tätig: In El Salvador, Honduras und Nepal sorgen Schweizer Delegierte dafür, dass Einheimische Schwimmunterricht erteilen und Lebensretter ausbilden. Grundsätzlich sind die Länderverbände des Roten Kreuzes für die Ausbildung im Bereich «Erste Hilfe» zuständig. Die Leitlinien hierfür werden alle fünf Jahre erneuert und von der Internationalen Föderation der Rotkreuz- und Rothalbmondgesellschaften herausgegeben. Sie werden von den nationalen Rot-Kreuz-Organisationen in ihre Ausbildungsprogramme übernommen. «Unser Ziel ist es, dass die Ertrinkungsprävention verbindlich in das nächste, 2020 veröffentlichte Manuskript der globalen Leitlinien eingearbeitet wird. Das wäre ein grosser und wichtiger Fortschritt», sagt Abächerli. Zusammen mit dem amerikanischen und dem kanadischen Roten Kreuz ist die SLRG seit rund einem halben Jahr daran, Überzeugungsarbeit zu leisten. Ein erster Schritt ist der Aufbau eines Gremiums, das aus ILS-Experten sowie Rote-Kreuz-Fachleuten besteht, welches die Leitlinien ausarbeitet. Es ist also noch ein weiter Weg. Das nächste Eckdatum ist der Oktober 2017, dann findet der «Weltkongress der Ertrinkungsprävention» im kanadischen Vancouver statt. «Bis dann soll sich die genannte Expertengruppe das erstemal treffen», sagt Abächerli.