Es gibt sie, die Menschen, die sich auf Reisen nicht mit der Kamera abmühen wollen. Vertrauen sie dennoch nicht auf ihre Erinnerung, so wühlen sie am Boden. Sie suchen Steine, Muscheln oder schöpfen Sand in Gläser ab.
Es gibt sie, die Menschen, die sich auf Reisen nicht mit der Kamera abmühen wollen. Vertrauen sie dennoch nicht auf ihre Erinnerung, so wühlen sie am Boden. Sie suchen Steine, Muscheln oder schöpfen Sand in Gläser ab. Daheim stellen sie das Mitbringsel ins Regal, wo bestimmt auch schon eine Flasche mit schwarzen Körnchen aus Lanzarote steht. Die Gefässe erinnern bei jedem Gang durch die Wohnung an die Ferien – und hat man die Staubfänger eines Tages doch satt, so lässt sich mit dem Sand immerhin noch der Körper peelen.
In den Ferien sind wir liberaler eingestellt und experimentierfreudiger. Sogar die gewöhnungsbedürftige Fischpaste schmeckt unter Palmen lecker. So gut, dass ein Glas mit nach Hause kommt. Doch daheim beisst ihr Geruch in der Nase. Drei, vier Tage kommt sie noch zum Einsatz, ehe sie vergessen geht. Der griechische Bauernsalat eignet sich da besser, um das Feriengefühl daheim zu verlängern: Er steht auch in vielen Schweizer Restaurants auf der Karte.
Eintrittstickets für Museen, das Billett für die U-Bahn, die Visitenkarte vom Lieblingsrestaurant: Sie alle stehen für Ferienmomente. Doch will man einem Bekannten, der die gleiche Destination bereisen wird, einen Restauranttip geben, ist just dann die Visitenkarte unauffindbar. Das Internet hilft weiter. Doch die vielen Kommentare auf Bewertungsportalen zeigen, dass das Lokal wohl doch nicht mehr zu den «Geheimtips» zählt. Die bunten (später vergilbten) Eintrittstickets für Museen, beleben – eingeklebt – das Reisetagebuch.
Im Reisetagebuch machen sich zudem Skizzen gut. So kann der Reisende Momente auf Papier verewigen, in denen die Kamera nicht geduldet war (in der Kirche), sie gestört hätte (beim Tee mit Einheimischen). Vielleicht will man aber auch nur mal wieder sein zeichnerisches Talent testen – und das Muster des Bodenbelags der Alhambra in Granada von Hand wiedergeben. Gelingt der Versuch nicht, nicht enttäuscht sein: Kunst muss nicht immer gefallen.
Hat sich ein Reisender ein Kameraverbot auferlegt oder ist er zu faul, die Kamera hervorzuholen, kauft er sich eine Postkarte. Authentischer wäre die eigene Aufnahme der Sehenswürdigkeit zwar, aber vielleicht verwackelter. Wer dennoch sein Handy hervorkramt, kann dank neuer Apps von Post (Postcard Creator) und Ifolor eine Karte gestalten. Foto aufnehmen, Text erfinden, Empfänger eintippen und abschicken. Fertig!
Sirtaki, die ganze Zeit. Wie soll man daheim ohne ihn auskommen? Eine CD muss ins Gepäck. Daheim vermischen sich bei offenem Fenster griechische Klänge mit Kuhglockengebimmel. Spaziergänger gucken seltsam. Den soeben Zurückgekehrten macht das nichts aus. Nur: Wie ging noch mal die Schrittfolge? Die Griechen, die in den Ferien geholfen haben, sind nun weit weg.
Sich auf seiner Erinnerung verlassen, auf nichts als Gedanken: Das ist die Kür des Feriengeniessens. Mit steigendem Alter dürfte sie leichter fallen. Weil man relaxter wird, weiser und anderen weniger beweisen will. Hat man viel von der Welt gesehen, bemerkt man auch: Einiges wiederholt sich. Die Kamera bleibt wo sie ist, Auge und Herz zeichnen auf. (dbu)