Die europäische Raumsonde Rosetta nähert sich nach zehn Jahren Flugdauer ihrem Ziel. Am Montag soll sie nach einem 31 Monate dauernden «Winterschlaf» geweckt werden, um im November die kleine Landekapsel Philae mit St. Galler Objektiven auf dem Kometen Churjumow-Gerassimenko abzusetzen.
Die europäische Raumsonde Rosetta wurde am 2. März 2004 mit einer Ariane 5 Trägerrakete erfolgreich gestartet. Ihr Ziel: der Komet Churjumow-Gerassimenko oder 67P. Die Sonde soll zum ersten Mal in der Geschichte der Raumfahrt in eine Umlaufbahn um einen Kometen einschwenken und später eine Landekapsel auf dessen Oberfläche weich landen lassen.
Während des Fluges zum Zielkometen hatte «Rosetta» dreimal die Erde und einmal den Mars passiert und dabei im Rahmen dieser Swing-by-Manöver Schwung für die weitere Reise genommen. Im Juni 2011 wurde die Raumsonde schliesslich in einen rund 31 Monate andauernden, energiesparenden Tiefschlafmodus versetzt, welcher noch bis kommenden Montag dauern wird. «Rosetta» befindet sich zurzeit fast bei der Jupiterbahn in 674 Millionen Kilometer Entfernung von der Sonne. Am Montag soll der innere Wecker der Raumsonde aktiviert werden. In den darauf folgenden Stunden werden der Raumflugkörper und dessen Systeme erwärmt und aktiviert. Im Kontrollzentrum der Europäischen Weltraumorganisation ESA, dem Esoc in Darmstadt, erwarten die Flugkontrolleure gegen 18.30 Uhr MEZ die ersten Signale der Raumsonde.
Zum Zeitpunkt des Weckrufes ist «Rosetta» noch neun Millionen Kilometer vom Zielkometen entfernt. Für die vom äusseren Sonnensystem kommende Raumsonde steht nun ein ereignisreiches Jahr bevor. Ende Mai steht ein grösseres Kurskorrekturmanöver auf dem Programm. Ab diesem Zeitpunkt ist der Zielkomet für die Kameras der Raumsonde im Visier. So wird die genaue Position des Kometen ermittelt, um die genaue Einschussposition von «Rosetta» festzulegen. Die grösste Herausforderung für das Esoc-Team ist die Annäherung an den Kometen und das Einschwenken in den Orbit. Dafür sind im Zeitraum von Anfang Mai bis Anfang August insgesamt zwölf Bahnkorrekturmanöver geplant. Mit dem zwölften Manöver am 7. August soll schliesslich das Einschwenken in eine Umlaufbahn um den Kometenkern erfolgen.
Die Kameras an Bord der Sonde werden die Oberfläche von Churjumow-Gerassimenko genau kartographieren und einen geeigneten Landeplatz für den 100 Kilogramm schweren Lander Philae bestimmen. Im November löst sich «Philae» dann vom Mutterschiff und nähert sich der eisigen Oberfläche des Kometen. Beim Aufsetzen auf der Oberfläche bohrt sich eine Harpune in den Boden und an den drei Landefüssen befindet sich je ein Bohrer, der sich im Eis festsetzt.
Die Kometenlandung birgt einige Risiken. Zuverlässige Daten über den Aufbau des Kometen, seine Oberfläche und die Beschaffenheit des Kometenmaterials gibt es nicht. Dazu kommen aufgrund der Entfernung von 480 Millionen Kilometer zwischen Raumsonde und Erde Übertragungszeiten des Signals von 30 Minuten für eine Strecke. Die Experten am Esoc erfahren also erst nach über einer Stunde, ob ein an «Rosetta» gesandter Befehl korrekt ausgeführt wurde.
Der Lander Philae ist so ausgelegt, dass er mehrere Monate Daten von der Oberfläche des Kometen zur Erde übertragen kann. Ziel des Landers wird es sein, mit seinen insgesamt sieben Kameras Panorama- und Stereobilder der Oberfläche von Churjumow-Gerassimenko zu gewinnen und mit einem Bohrer Proben des Kometenmaterials zu analysieren. Die Kameraobjektive für die «Philae»-Kameras wurden durch die St. Galler Firma Fisba Optik entwickelt und gebaut. Sie müssen für ihren Einsatz sehr robust sein: Die speziellen Optiken sind für einen Temperaturbereich von –150 °Celsius bis +50 °Celsius ausgelegt und bestehen aus strahlungsresistenten Gläsern, welche der kosmischen Strahlung während über zwölf Jahren trotzen müssen.