Die Digitalisierung durchdringt alle unsere Lebensbereiche. Mit der gestern gestarteten «Digital Society Initiative» nimmt die Universität Zürich eine Pionierrolle in dieser Forschung ein.
Die virtuelle Welt vermischt sich immer mehr mit der realen, wie hier am Geographischen Institut der Universität Zürich am eigenen Leib erfahren werden kann. Im 3D-Labor geht der Mensch mit einer 3D-Brille durch eine Stadt und lenkt seinen Weg mit einem Controller. Dabei wird der Körper mit Kabeln und Sensoren kontrolliert und vermessen: Steht er unter Stress, während er durch die Stadt navigiert? Auf welche Hinweise schaut er, auf welche Tafeln? Das Projekt, das die Geographin Sara Irina Fabrikant vorstellt, heisst «EMotive».
Geforscht wird daran, wie wir uns wegen der neuen digitalen Navigationsgeräte verändern. Ein Navi im Auto sei der erste Schritt zum betreuten Wohnen, hat der Kabarettist Philip Simon einst gesagt. «Wir haben alle die Fähigkeit, uns zu orientieren. Wegen der neuen Navigationsgeräte verlieren wir diese», sagt Anina Brügger, ebenfalls vom Geographischen Institut. Im Forschungsprojekt der Uni Zürich soll herausgefunden werden, wie stark unsere Veränderung deswegen ist und wie die Navigationsgeräte verbessert werden können.
Um das ganze Spektrum dieser Fragen abdecken zu können, arbeiten die Geographen mit Psychologen und Informatikern zusammen. «Darum geht es in unserer Initiative», sagt deshalb Abraham Bernstein, Informatik-Professor an der Universität Zürich und Direktor der «Digital Society Initiative», die gestern in Begleitung von Bundespräsident Johann Schneider-Ammann eröffnet worden ist.
«Der technologische Wandelt braucht neue Denk- und Handelsmuster», sagt Michael Hengartner, Rektor der Universität Zürich. Diese sei nun weltweit die erste Universität, die eine Plattform aufbaue, auf der alle Konsequenzen der Digitalisierung unserer Welt erforscht werden könnten. «Ein internationales Kompetenzzentrum. Hier wird die Digitalisierung kritisch hinterfragt und reflektiert», sagt Hengartner.
Das geschieht in vier Arbeitsgebieten, wie Bernstein erklärt. Im ersten geht es um die Verbesserung der individuellen Gesundheit. Persönlich gesammelte Daten sollen mit jenen aus den digitalen Datenbanken verschmelzen, um die Gesundheit des Einzelnen zu verbessern. Das zweite Gebiet ist das Bestreben, die demokratische Teilnahme auch im digitalen Zeitalter sicherzustellen. «Heute besteht die Gefahr, dass jene, welche die Macht über die Daten haben, Einfluss auf Wahlen und Politik nehmen können», sagt Bernstein. Angefangen habe das mit der Obama-App, mit der Menschen direkt aufgefordert wurden, andere zur Wahl zu motivieren.
Im dritten Arbeitsgebiet wird die Zukunft der Digitalen Gesellschaft reflektiert. Hier stehen moralische und ethische Aspekte im Vordergrund. Und viertens wird die Veränderungs der Arbeitswelt durch die Digitalisierung untersucht. «Wie ist die Zukunft der Arbeit, wenn Maschinen diese plötzlich erledigen», sagt der Informatik-Professor. «Bereits gibt es Computer, welche die pathologische Analyse besser machen als ein Arzt.» «Es geht darum, die interdisziplinäre Forschung zu fördern», sagt Hengartner. Neue Projekte zur Erforschung der Auswirkungen der Digitalisierung werden nun in einer vierjährigen Startphase gestartet.